10.10.2018

Fünf Gemeinderäte im Ausstand

Wegen Befangenheit kann der Gemeinderat zur geplanten Gemüserüsthalle keinen Beschluss fassen. Die über 400 Einsprachen haben den Bauherrn aber sowieso veranlasst, nach einem neuen Standort zu suchen.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererDie Ausgangslage ist sehr speziell. Die drei Gemeinderäte Bruno Frei, Udo Hutter und Patrick Spirig sind mit Einsprechern verwandt, zwei weitere Gemeinderäte sind sonst befangen.Stefan Britschgi muss als Bauherr in den Ausstand treten, Thomas Bolt ist Verwaltungsrat in einer Firma, die Britschgi gehört (Pro Verda in Rebstein).Nur Gemeindepräsident Roland Wälter und Gemeinderätin Karin Aerni-Stricker sind unbefangen, aber zwei von sieben Gemeinderäten sind zu wenig, um beschlussfähig zu sein.Es geht um Zeit für StandortsucheWeil Stefan Britschgi respektive seine Fahrmaadhof AG bereit ist, sich nach einem alternativen Standort ausserhalb des Dorfes umzusehen, soll das Einspracheverfahren sistiert werden. Das bedeutet, dass die Sache bis zum 30. Juni 2019 ruhen und Britschgi bis dahin Zeit haben soll, für die Gemüserüsthalle einen neuen Bauplatz zu finden.Ob tatsächlich andernorts gebaut wird oder Britschgi letztlich doch am Diepoldsauer Standort festhält, bleibt vorerst offen.Sollte Britschgi die Zeit bis zum Sommer des nächsten Jahres nicht für die Vorbereitung eines neuen Bauprojekts nutzen können und sähe er sich gezwungen, am Ende doch für sein aktuelles, umstrittenes Baugesuch zu kämpfen, könnte wegen Befangenheit nicht der jetzige Gemeinderat über das Baugesuch befinden.Wegen der Ausstandspflicht, die fünf der sieben Gemeinderäte (gemäss Artikel 7 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege) beträfe, würde das kantonale Departement des Innern eine Ersatzverwaltung einsetzen, falls über Britschgis Diepoldsauer Baugesuch bzw. die Einsprachen zu befinden wäre.Ein sehr seltener FallDas heisst, anstelle des Diepoldsauer Gemeinderates würde aller Voraussicht nach der Gemeinderat einer anderen Gemeinde entscheiden.Ein solches Vorgehen ist sehr selten. Vor dreieinhalb Jahren wurde in einer Gemeinde im Raum St. Gallen ein Gemeinderat aus dem Toggenburg eingesetzt. In den Neunzigerjahren, als eine Ortsgemeinde nicht beschlussfähig war, übernahm der Gemeinderat des Dorfes die entsprechende Aufgabe.Thomas Schweizer vom Amt für Gemeinden sagt, im Fall von Diepoldsau würde ebenfalls ein anderer Gemeinderat angefragt, sollte es tatsächlich so weit kommen, dass in dieser Angelegenheit ein Entscheid zu fällen wäre. Natürlich wäre es dann ein Gemeinderat mit nötiger Distanz zur Sache.Sollte sich kein Gemeinderat finden lassen, der die Aufgabe übernähme, wäre eine andere Lösung zu suchen. Was sicher nicht in Frage käme, ist ein Beschluss durch den Kanton. Denn dieser kann, als nächsthöhere Instanz, nicht für den Gemeinderat in die Bresche springen.Die beiden nicht befangenen Diepoldsauer Gemeinderäte – Präsident Wälter und Gemeinderätin Aerni – würden nicht mitentscheiden, sollte ein auswärtiger Gemeinderat eine Entscheidung für Diepoldsau treffen müssen. Sollte sich hingegen kein Ersatz-Gemeinderat finden lassen, wäre wohl ein anderes entscheidungsfähiges Gremium zu bilden. Dass dann Wälter und Aerni dabei wären, ist rechtlich nicht ausgeschlossen. Allerdings sind derlei Überlegungen im Moment rein spekulativ.Alle Einsprecher erhalten einen BriefIn den nächsten Tagen werden alle Einsprecher mit eingeschriebenem Brief über das Sistierungsgesuch informiert. Sind die Einsprecher mit der Sistierung des Baugesuchs für die Gemüserüsthalle sowie des Teilzonenplans Werkstrasse und der damit verbundenen Einsprachen nicht einverstanden, muss die Gemeinde beim kantonalen Departement des Innern um die Einsetzung einer Ersatzverwaltung nachsuchen.Falls die Einsprecher mit der Sistierung bis zum 30. Juni 2019 einverstanden sind, werden die Einsprachen zu den genannten Geschäften erst nach Ablauf der Sistierungsfrist weiterbearbeitet.Angenommen, es kommt zur Sistierung und Stefan Britschgi kann seine Gemüserüsthalle an einem neuen Ort ausserhalb des Dorfes planen, können Zonenplan und Baureglement natürlich trotzdem wieder zum Thema werden. Die Gemeinde beabsichtigt ja unabhängig von Britschgis Projekt, Boden an der Werkstrasse in unmittelbarer Nähe zum Zoll für Gewerbe zu nutzen.In jenem Fall jedoch (wenn kein Baugesuch Britschgis mehr vorliegt) wäre der Gemeinderat wieder beschlussfähig. Entfällt nämlich das Britschgi-Projekt, ist Britschgi als Gemeinderat nicht mehr befangen, und auch Thomas Bolt müsste nicht mehr in den Ausstand treten.Zusammen mit Roland Wälter und Karin Aerni wären dann also vier Ratsmitglieder unbefangen; bloss eine Minderheit von maximal drei Gemeinderäten hätte allenfalls in den Ausstand zu treten.Vier Lastwagen pro Tag22,5  Tonnen Stefan Britschgi sagt, für einen neuen Hallenstandort habe er Ideen. Es seien auch schon Gespräche geführt worden, doch sei man von einer Verwirklichung noch weit entfernt. Er sei bereit, ernsthaft nach einem bewilligungsfähigen Alternativstandort ausserhalb des Dorfes zu suchen. Unabhängig davon, wie die Suche verläuft: «Zu bauen ist die Halle», sagt Britschgi, an ihr führe kein Weg vorbei.Der Gemüseproduzent weist darauf hin, dass werktags durchschnittlich 22,5 Tonnen Gemüse von der Halle wegzuführen seien. Der Abtransport geschehe somit mit drei Fahrten pro Tag, hinzu komme noch eine vierte Fahrt für den Rüstabfall.Es würden eher die kleinen, arbeitsintensiven Sachen gerüstet. Nicht zum ersten Mal sagt Britschgi: Zum Verkehr seien völlig falsche Zahlen in Umlauf gebracht worden. Gegenüber heute hätte die neue Halle an der Werkstrasse «einen Minussaldo» bedeutet, versichert der Gemüseproduzent.Zu einer neuen Halle an der Werkstrasse wäre das Gemüse (wie heute zum bestehenden Betrieb) direkt von den Feldern gefahren worden. (gb)

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