02.05.2019

«Führen zu dürfen, ist ein Privileg»

Als Chef muss man nicht nur dirigieren, sondern auch delegieren können. Worauf es dabei ankommt, stand gestern im Mittelpunkt des Gwerblertags an der Rhema. Die eingeladenen Referenten sagten Unerwartetes.

Von Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
«Mit Menschen arbeiten zu dürfen, ist ein Privileg.» Das sagte am Gwerblertag jemand, dem man es nicht unbedingt in den Mund gelegt hätte, nämlich An­dré Blattmann, der von 2008 bis 2016 Chef der Armee war. Immerhin gilt dort: Der Vorgesetzte befiehlt, der Befehlsnehmer hat zu spuren. Doch Blattmann insistiert: «Führen im Militär und in der Privatwirtschaft ist dasselbe – man muss gesamtheitlich denken und die Betroffenen einbeziehen.»Ein strukturiertes Vorgehen ist entscheidendEntscheidend sei beim Führen ein strukturiertes Vorgehen, besonders wenn es Probleme zu lösen gelte. Wenn es drauf ankommt, sollte man nicht lange überlegen müssen, wie am besten vorzugehen ist. Man sollte sich gleich aufs eigentliche Problem konzentrieren können. Für die Problemerfassung sollte man sich Zeit nehmen, mahnte Blattmann. «Tut man es nicht, wird man später ein Vielfaches dieser Zeit benötigen, um Fehler zu korrigieren.» Ein Chef muss die Grösse haben und Fehler eingestehenMit dem SVP-Nationalrat und Fuhrunternehmer Ulrich Giezendanner hat die Rhema einen weiteren Gast mit militärischem Führungsstil eingeladen. «Kommandieren, kontrollieren, korrigieren», sind seine Führungsprinzipien. Im Interview mit Tobias Müller (der Moderator des Wissensmagazins «Einstein» des Schweizer Fernsehens führte durch den Gwerblertag) sprach sich Giezendanner auch für das formelle Bewahren der Hierarchie aus. Ein Du vom Lehrling bis in die Chefetage kommt für ihn nicht in Frage. Da fehle es bald einmal an Respekt, meinte er: «Überall, wo nicht geführt wird, herrscht bald das Chaos.»Das entspricht in etwa dem Bild vom grobschlächtigen SVP-Politiker, das man sich von ihm gemeinhin macht. Doch der herrisch wirkende Patron überraschte mit einer Seite, die man ihm nicht gegeben hätte: Er glaube an Gott, gestand Giezendanner. Als seine Firma schwierige Zeiten durchmachte, sei ihm der Glaube eine starke Stütze gewesen. Als Chef müsse man ausserdem die Grösse haben und Fehler eingestehen können. Dass selbst auf dem Podest vor einem Orchester ausgeprägte Führungsqualitäten nötig sind, dürfte am diesjährigen Gwerblertag am meisten überrascht haben. Adrian Knechtle von der Biene-Bank als Vertreter der Patronatsgeberin für den Anlass zollte als früherer Musikant den Dirigenten höchsten Respekt, die es schaffen, beim Lesen einer Partitur alle Register gleichzeitig zu verfolgen und den jeweiligen Musikern zur rechten Zeit den Einsatz zu signalisieren. Die Konzertdirigentin Lena-Lisa Wüstendörfer machte aber klar, dass dies noch längst nicht genügt.Leistungsbereitschaft statt nur GehorsamDie Musiker in den grossen Orchestern seien alles Profis. Das Schwierigste sei nicht, jedem einzelnen rechtzeitig Anweisungen zu geben, sondern alle dazu zu bringen, mitzuziehen und so zu spielen, wie der Dirigent das Musikstück interpretiert. Sie fordere nicht nur Gehorsam, sondern dass ihre Ideen mitgetragen werden, sagte Wüstendörfer. «Will man echte Leistungsbereitschaft, muss man als Dirigent mit Menschen umgehen können.» Dazu gehöre auch, zu seinen Fehlern zu stehen, meinte sie ebenso wie zuvor Ulrich Giezendanner. «Erst das macht einen glaubwürdig.»«Führen heisst, als Vorbild überzeugen zu können», hatte bereits zu Beginn des Gwerblertags Christof Schwarber als Repräsentant der Hauptsponsorin Helvetia Versicherungen gesagt. Diese Einstellung imponierte sogar dem früheren Armeechef.

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