02.10.2020

Früh das Fenster zur Welt geöffnet

Ramon Waser, der neue Co-Präsident der glp-Kantonalpartei, mag Heavy Metal und betätigt sich als Schiedsrichter.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Der Sohn des OMR-Schulleiters ist sprachaffin. Er spricht recht schnell und stets präzis. An der Kantonsschule in Heerbrugg hatte der heute 24-Jährige Latein als Schwerpunktfach - wie sein zwei Jahre älterer Bruder Manuel, Seklehrer in St.Margrethen und Bassist der Band Afternoon Daydreams.Schon in der Kantonsschule war der Grünliberale, der im Kanton neuerdings an der Parteispitze steht, an Politik und besonderen Aufgaben sehr interessiert. Zwei Jahre, bis zur Matura, leitete Roman Waser die Schülerorganisation, und ein von Lehrern organisiertes Politpodium wurde von ihm moderiert. An der Maturafeier erhielt er für sein «besonderes Engagement» einen Anerkennungspreis.Als Kindergärtler die «Tagesschau» entdecktAuf der Bühne zu stehen, vor Leuten zu sprechen, hat ihm «noch nie Kopfzerbrechen bereitet». Im Gegenteil, er macht es gern. An früheren Herbstkonzerten des Musikvereins Heerbrugg kamen die Ansagen von ihm.Das Interesse am Weltgeschehen und an politischen Vorgängen wurde früh entfacht. Er liest gern Sachbücher, Biografien, aber auch Krimis. Diskussionen daheim am Mittagstisch waren gang und gäbe, das Lesen von Zeitungen eine Selbstverständlichkeit und die «Tagesschau» hatte schon im Kindergartenalter regelmässig das Fenster zur Welt aufgetan. Im familiären Umfeld lernte Ramon Waser schnell, sich eine eigene Meinung zu bilden und sie zu vertreten.Dass er seine langen Haare im Militär unter ein Haarnetz zu zwängen hatte, beantwortete der waffenfreie Spitalsoldat mit einer provokativ pinkfarbenen Kopfbedeckung. Anfangs hatte seine Mähne, die er sich mit 18 wachsen liess, Bemerkungen hervorgerufen. Eher durch die Blume sah er sich gelegentlich mit einer Haltung konfrontiert, die Ramon Waser so zusammenfasst: «Isch da din Ernscht?»Die Haarlänge? Für andere unerheblichWiederholt verwendet der glp-Co-Präsident das Wort gesellschaftsliberal. Genauso sehr wie nach Roman Wasers Ansicht die Ehe für alle und das Adoptionsrecht eine Selbstverständlichkeit sein sollten, erachtet er die Länge seiner Haare als unerheblich für alle anderen.Das gleiche gilt für sein T-Shirt, mit dem er auf seinem jüngsten Wahlplakat als (nicht gewählter) Kandidat fürs Wiler Stadtparlament posierte und neckisch verkündete: «Green is the new black, let’s rock the parliament!» Das Leibchen ist ein Iron-Maiden-T-Shirt und verweist auf Ramon Wasers Vorliebe für Heavy Metal.Entsprechende Konzerte, aber auch Musicals, vermisst er in dieser kulturarmen Corona-Zeit. Das letzte Konzert, das Ramon Waser mit seinem Bruder besuchte, liegt neun Monate zurück und war «ein Supererlebnis». Bei jenem Auftritt der deutschen Band Powerwolf konnte der Rheintaler abschalten, «weit weg von der Arbeit» sein, an die er bei solchen Konzerten «ganz sicher nie denkt».American Football als neues HobbyNach der Matura studierte Roman Waser ein Jahr über den Bachelor hinaus Medienwissenschaften und Soziologie in Basel. Hier begann sich der Rheintaler, der während fünf Jahren bei Junioren- und 5.-Liga-Spielen als Fussballschiedsrichter wirkte, für American Football zu interessieren. Statt weiterhin für die Leitung von Fussballspielen an den Wochenenden durch das Land zu reisen, wurde er einer von rund 50 American-Football-Schiedsrichtern und hat so ein neues Hobby gefunden, mit dem er «sehr glücklich» ist.Den Master-Abschluss hat der glp-Co-Präsident als Ziel im Hinterkopf, doch vorerst steht sein Zürcher Job an erster Stelle. Nach einem Praktikum in Marketing bei einer Firma, die Nachhaltigkeitslösungen anbietet, hat Roman Waser als Quereinsteiger bei dem Unternehmen bleiben können. Er ist hier «Junior Marketing Specialist» (D, A, CH) und unterstützt die regionalen Kampagnen sowie den Key Account Manager und die Business Developers in der DACH-Region. Dazu gehört zum Beispiel die Erstellung von Standardmaterialien oder Vorlagen, aber auch die Organisation und Koordination von Business Events oder Webinaren. Weiter unterstützt und berät Roman Waser Kunden in Sachen Kommunikation. Wohnhaft ist Roman Waser seit Anfang Juli in Wil. Das hat praktische Gründe: Das Städtchen liegt zwischen den Wirkungsorten des glp-Exponenten, der pro Woche zweimal in St.Gallen ist, je einmal privat und zur Ausübung seines politischen Ehrenamts.Wie der Bruder für den Kantonsrat kandidiertMit einer Wahl ins Wiler Stadtparlament hatte er nicht gerechnet, aber er war motiviert und setzte sich für die Sache und seine Partei ein. Seinen Aufstieg aus dem Kantonalvorstand an die Parteispitze nach knapp zwei Jahren sehe er nicht als Teil einer Politkarriere, wenngleich der vor einem Jahrzehnt der Partei beigetretene Rheintaler spätere Kandidaturen nicht ausschliesst.Wie bereits 2016 kandidierte er in diesem Frühling (wie sein Bruder) auf der Rheintaler glp-Liste für den Kantonsrat. Mit 908 Stimmen lag er parteiintern auf dem sechsten Platz. Altstättens parteiloser Stadtpräsident Ruedi Mattle wurde dank glp-Listenplatz mit gut doppelt so vielen Stimmen wie Ramon Waser in den Kantonsrat gewählt, was dem Co-Präsidenten viel Freude bereitete.Für seine Grünliberalen wünscht Roman Waser sich eine Festigung der Strukturen und eine Rufkorrektur. Statt als Städtepartei wahrgenommen zu werden, strebt Roman Waser zusammen mit seiner Co-Kollegin Jeannette Worden eine Etablierung der Partei auch fern der Städte an.

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