Spontan losfahren, an den schönsten Stränden und einsamsten Orten übernachten und ein unbändiges Gefühl von Freiheit erleben – das verspricht das Reisen im Van. Der Trend hat sich in den letzten Jahren verstärkt. Eigenhändig umgebaute Kleinbusse schossen aus dem Boden wie Krokusblüten im Frühling: Die Pandemie hat viele ermutigt, ihren Urlaub unabhängig zu verbringen. Während die einen auf Luxus und grosse Fahrzeuge setzen, steht für andere die Freiheit an erster Stelle. Auch ein relativ kleines Fahrzeug lässt sich mit etwas Kreativität in ein echtes Juwel verwandeln. So wie das von Stefanie Rüesch und ihrem Freund Manuel Hinrichs.
Ohne grossen Plan einfach darauflos gebaut
Mitten in St. Gallen steht ein weisser Opel Vivaro namens «Fred». Von aussen sieht man nicht, dass sich im Innern eine kleine Wohnung mit Bett, Campingküche, Regalen und einem schmalen Kleiderschrank befindet. Doch das Surfbrett auf dem Dach deutet darauf hin, dass der ehemalige Lieferwagen für UPC-Servicetechniker nicht mehr für Arbeitszwecke gebraucht wird. «Fred» ist der selbst ausgebaute Camper-Van des 36-jährigen Manuel Hinrichs und der 31-jährigen Stefanie Rüesch.
Die beiden leben seit einiger Zeit in St. Gallen, Rüesch stammt aber aus Rheineck. Und auch «Fred» hat eine Vorgeschichte in Rheineck. Letztes Jahr hat das Paar den alten Opel Vivaro unter anderem in der Garage von Rüeschs Eltern zu einem Wohnmobil umgebaut – unter selbst auferlegtem Zeitdruck und ohne genauen Plan. Rüesch ist mit Urlaub im Wohnmobil gross geworden und fand diese Art zu Reisen schon immer spannend:
Ich träumte schon lange von einem eigenen kleinen Büssli.
Das Problem: Solche Autos sind nicht gerade günstig. Als ihr Freund, ein Servicetechniker bei UPC, einen ausrangierten Firmenwagen kaufen konnte, ergriffen die beiden die Gelegenheit. Anfang Juni 2021 begannen sie mit dem Umbau. Die Trennwand zur Fahrerkabine wurde herausgeschnitten, das Auto isoliert. «Wir haben uns dann ins Auto gesetzt und überlegt, wo wir ungefähr was haben wollen, und haben dann einfach losgelegt», sagt Manuel Hinrichs.
Videos von Van-Umbauten und Tipps gibt es im Internet zuhauf, aber viel daraus angewendet haben die beiden allerdings nicht. «Am Ende wollten wir es so bauen, wie wir es uns vorstellten, und nicht so, wie andere es haben», sagt der 36-Jährige.
Reise-Freiheit auf sechs Quadratmetern
Ein befreundeter Schreiner half bei den Möbeln. Hinrichs war für den technischen Teil zuständig, Rüesch übernahm den kreativen Teil. «Der Lieferwagen wäre sonst viel praktischer eingerichtet gewesen», sagt Hinrichs und lächelt. Innerhalb eines Monats und 80 Arbeitsstunden später war «Fred» mit einer Wohnfläche von sechs Quadratmetern zu einem kleinen Camper umgebaut, oder wie die beiden sagen, die erste Version davon. «Wir wollten unbedingt Ende Juni nach Italien in die Ferien fahren, da musste der Wagen schon fertig sein», sagt Rüesch.
Heute sind die beiden mit der zweiten Version von «Fred» unterwegs. «Das Bett war zu kurz», sagt Rüesch. Zu Hause montierten sie eine ausziehbare Platte ans Bett, um es länger zu machen. Zudem brauchten sie mehr Stauraum, also wurde ein Dachträger montiert. Das sind genau die Dinge, die den Van für das Paar zu einem grossen Abenteuer machen. «Wir merken vorzu, was wir verbessern oder anders gestalten könnten», sagt Hinrichs.
Der Transporter ist nicht perfekt; es wird viel gebastelt und getüftelt. «Man darf auch sehen, dass er selbst gebaut ist», sagt Rüesch. Ihr Camper-Van bietet nicht unbedingt den Komfort, den viele von den umgebauten Transportern auf Instagram gewohnt sind. Es gibt keine sanitären Anlagen. Der Kühlschrank ist eigentlich eine Kühlbox, und die kleine Küche mit Gaskocher kann unter dem Bett hervorgezogen werden. Daneben befindet sich das improvisierte Bad mit einem runden Spiegel und kleinen Schubladen. Strom gibt es über eine zusätzliche Batterie. Für Rüesch und Hinrichs ist «Fred» dennoch ein Paradies, mit dem sie bisher durch Italien und Frankreich gereist sind.
Aber auch für Tages- oder Wochenendausflüge in der näheren Umgebung und im Ausland wird das Auto oft genutzt. «Der Camper gibt uns ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit. Wir können einfach losfahren und haben unser Zuhause sozusagen immer dabei», schwärmt die 31-Jährige.