27.11.2020

Frau um Häuser geprellt

Zwei Geschwister und ihre Mutter sollen in grossem Stil betrogen haben.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Nur für die Mutter beantragt die Staatsanwaltschaft eine bedingte Gefängnisstrafe. Dem Sohn droht eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren; sechseinhalb sind für die Tochter vorgesehen. Nächste Woche findet in Altstätten der Prozess vor dem Kreisgericht Rheintal statt.Schmerzen vorgetäuscht  und abkassiertDie Geschwister (mit hiesigem Namen) betreiben im Mittelrheintal eine Firma; die Frau ist Verwaltungsratspräsidentin, ihr Bruder Verwaltungsrat.Einen stattlichen Teil ihres Einkommens sollen sie allerdings nicht als Geschäftsleute, sondern mit gespielten Schmerzen erzielt haben. Beiden wird vorgeworfen, während Jahren einen sehr schlechten Gesundheitszustand vorgetäuscht und zu Unrecht Rentenleistungen bezogen zu haben. 293000 Franken flossen aufs Konto der Frau, 650000 auf jenes des Bruders.Die Mutter bezog aufgrund falscher Angaben Ergänzungsleistungen und Prämienverbilligungen, insgesamt einen Betrag von über 100000 Franken.Die Geschäftsfrau soll sich und ihren Bruder zudem durch ungetreue Geschäftsbesorgungen mit mindestens 163000 Franken ungerechtfertigt bereichert haben. Als weitere Tatbestände werden der Frau Geldwäscherei, betrügerischer Konkurs sowie Misswirtschaft vorgeworfen. Treuhandmandat  kaltblütig ausgenütztBesonders arglistig nützten die Geschwister gemäss Anklageschrift die Notlage einer im oberen Rheintal lebenden Mutter aus, die mit den Kindern in einem ihrer beiden Häuser lebte und auf die Mietzinseinnahmen von ihrem zweiten Haus angewiesen war. Diese Frau hatte die im Mittelrheintal lebenden Geschwister und deren Mutter vor eineinhalb Jahrzehnten kennengelernt, worauf sich eine kollegial-freundschaftliche Beziehung entwickelte und die Oberrheintalerin die Firma ihrer Bekannten mit einem Treuhandmandat betraute.Als die nun angeklagten Geschwister nach einigen Jahren die akzentuierte Notlage ihrer Kollegin erkannten, sollen sie die Situation kaltblütig ausgenützt haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, ihre Bekannte «in die irrige Annahme versetzt» zu haben, sie könne durch eine treuhänderische Übertragung ihrer (vermeintlich) renovationsbedürftigen Liegenschaften ihre finanziellen Probleme lösen, die Liegenschaften dem Zugriff etwaiger Gläubiger entziehen und sie (oder ihre Kinder) hätten einen Anspruch auf Rückübertragung beider Liegenschaften zum Preis der Hypotheken.Tatsächlich gelangten die Geschwister so in den Besitz zweier Liegenschaften, deren Wert viel höher ist als der bezahlte Preis. Die neuen Eigentümer hätten sich zu Lasten ihrer Bekannten «im Umfang von etwa 513000 Franken ungerechtfertigt bereichert», heisst es in der Anklageschrift.Ein Häufchen Elend, das viel erledigteDie Vortäuschung extremer Schmerzen sowie die gezielte Verhinderung tiefgehender medizinischer Klärung beherrscht gemäss Anklageschrift speziell der Mann, tatkräftig unterstützt von seiner Schwester. Wer die lange Liste der angeblichen Beschwerden liest, muss unweigerlich vermuten, es mit einem Häufchen Elend zu tun zu haben. Bewegungsblockaden, Krämpfe im ganzen Körper, enorme Müdigkeit, zeitweise Lähmungserscheinungen, Atemnot, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Übelkeit, starke Muskelkrämpfe am ganzen Körper – all das soll dazu geführt haben, dass der Angeklagte manchmal «kaum Messer und Gabel hochheben konnte».Ganz anders die Darstellung der Staatsanwaltschaft: Der Angeklagte habe normal gelebt, sei agil gewesen, sei normalen, ausserhäuslichen Tätigkeiten nachgegangen und habe sich mit Bekannten, Kunden, Miet- bzw. Kaufinteressenten getroffen, kurzum: «verhielt sich sozialadäquat». So habe er trotz seines angeblich sehr schlechten Gesundheitszustandes ohne Einschränkung und regelmässig Autos auch über weite Strecken gelenkt, habe bewegungsintensive Reinigungs-, Garten- und Unterhaltsarbeiten durchgeführt, Schnee beiseite geräumt, Hecken und Bäume zurückgeschnitten, Steine versetzt, kniend und tief vornübergebeugt Zement glattgestrichen, beim Aufbau eines Holzgerüsts geholfen und vieles mehr getan, wobei es sich um jeweils ganztätige Arbeiten gehandelt habe.Eine teilweise  Verjährung verhindernWeil die Delikte teils länger zurückliegen und einzelne Taten bald verjährt sein werden, drängt die Zeit. Die Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht Rheintal findet deshalb nächste Woche in Altstätten statt.Um viel geht es auch für die Frau, die ihre zwei Liegenschaften verlor. Die Staatsanwaltschaft beantragt dem Gericht, den vor bald sieben Jahren unterzeichneten Grundstückkaufvertrag rückgängig zu machen. Das Altstätter Grundbuchamt wäre dann (vorbehältlich der Zustimmung durch die Bank) gerichtlich anzuweisen, die frühere Eigentümerin der beiden Liegenschaften im Grundbuch wieder als die  Eigentümerin der beiden Häuser einzutragen. 

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