13.06.2022

«Frau oder Mann darf  kein Kriterium sein»

Der Widnauer Findungskommission gelang es trotz Bemühungen nicht, eine Frau fürs höchste Gemeindeamt zu nominieren.

Von Interview: Andrea C. Plüss
aktualisiert am 02.11.2022
Drei Männer wollen die Nachfolge der Ende Jahr zurücktretenden Widnauer Gemeindepräsidentin Christa Köppel antreten. Wir haben Peter Grüninger, Vorsitzender der zehnköpfigen Findungskommission,  gefragt, wie das Gremium die Suche nach geeigneten Kandidierenden angegangen ist. Peter Grüninger, wäre es nicht die Pflicht der Findungskommission (Fiko), in Anbetracht von drei Kandidaten auch eine Kandidatin aufzustellen? Peter Grüninger: Die Fiko hatte die Aufgabe, die bestmöglichen Kandidierenden für das Gemeindepräsidium zu finden. Dies geschah unabhängig von Parteizugehörigkeit und Geschlecht. Der Fiko gehören zehn Personen an, davon zwei Frauen. Hatten diese beiden keinen weiblichen Namen auf dem Zettel stehen? Unabhängig davon, wie viele Frauen der Findungskommission angehören, waren einige Namen auf unseren Zetteln – und da waren auch Frauen dabei. Es wurden viele persönliche Gespräche geführt, um ein möglichst breites Spektrum an Kandidatinnen und Kandidaten zu präsentieren. Allerdings kann niemand dazu gezwungen werden, sich aufstellen zu lassen. [caption_left: Peter Grüninger, Vorsitzender der Widnauer Findungskommission: «Eine weib­liche Kandi­datur wäre sehr schön gewesen.»  Bild: pd]Worauf führen Sie das Fehlen einer Kandidatin zurück? Das wäre reines Mutmassen. Letztlich ist es ein persönlicher Entscheid, ob man sich zum Amt berufen fühlt und ob man einen Wahlkampf führen will. Eine Personalfirma zu beauftragen, ist nicht ungewöhnlich für eine solche Position. Dennoch: Hätte die Fiko nicht ausdrücklich auch Frauen ansprechen sollen – gerade in Widnau, wo vor über 20 Jahren erstmals im Kanton eine Frau an die Spitze gewählt worden war? Wie bereits erwähnt, wurden Frauen angesprochen. Frau oder Mann darf kein Kriterium sein für eine Kandidatur. Es geht nur um die fachliche Kompetenz und natürlich um den Willen, das Amt auszuführen. Die amtierende Gemeindepräsidentin ist Beweis dafür, dass Frauen ein solches Amt genauso gut meistern wie Männer. Vielleicht hätte auch eine entsprechende Veranstaltung lanciert werden können? Ich denke nicht, dass eine Veranstaltung etwas gebracht hätte. Wir sprechen hier vom Amt der Gemeindepräsidentin beziehungsweise des Gemeindepräsidenten. Personen, die sich dazu berufen fühlen, brauchen keine Veranstaltung. Es sind Menschen, die sich mit politischen Themen auseinandersetzen, sich dafür interessieren, was in einer Gemeinde läuft, sich engagieren wollen und viel Eigeninitiative an den Tag legen. Ob hierzu eine Information nötig ist, scheint mir fraglich.Fand sich eine Frau auf der erweiterten Vorschlagsliste? Um die Bewerberinnen und Bewerber sowie die angefragten Personen zu schützen, haben alle Mitglieder der Findungskommission eine Geheimhaltungserklärung unterzeichnet. Immerhin haben die meisten Personen einen Arbeitgeber oder Familie. Da wollen wir verhindern, dass falsche Schlüsse gezogen werden. Aus diesem Grund darf ich diese Frage leider nicht beantworten.Ist innerhalb der Fiko bedauert worden, dass es keine Frau auf die Liste der vorgeschlagenen Kandidierenden geschafft hat? Auf jeden Fall. Wir wollten ein breites Spektrum von fähigen Kandidatinnen und Kandidaten präsentieren, und da wäre eine weibliche Kandidatur natürlich sehr schön gewesen. Andererseits denke ich, dass wir drei fähige Kandidaten vorgestellt haben, die ebenfalls ein breites Spektrum abdecken.Hatte Christa Köppel keinen Frauen-Tipp für die Fiko parat? Als Profi durch und durch weiss sie, dass sich die amtierende Amtsträgerin nicht in die Nachfolgeregelung einschalten sollte, was sie auch zu keinem Zeitpunkt getan hat.  Neues Online-Tool zur Frauenförderung Unter dem Namen «Promo Femina» führte die Fachhochschule Graubünden ein Forschungsprojekt durch, mit dem Ziel, das politische Engagement von Frauen auf  Gemeindeebene zu steigern. In den Schweizer Gemeindebehörden sind verhältnismässig wenig Frauen vertreten; 2019 waren nur rund ein Viertel der Sitze in den Gemeindeexekutiven mit Frauen besetzt. Seit Mai ist das dazugehörige Online-Tool «Promo Femina» aufgeschaltet. Es bietet nebst Fakten, Daten und Umfrageergebnissen aus den teilnehmenden Kantonen, dazu gehört auch der Kanton St. Gallen, in interaktiver Form Massnah­men zur Frauenförderung in der Gemeindepolitik. Dies für vier Akteursgruppen: Gemeinden, Lokalparteien, Netzwerke und Frauen. Die Studie hat insgesamt 17 Herausforderungen definiert und 120 Massnahmen zu deren Bewältigung. Je nach ausgewähltem Kriterium erhalten Benutzende Hinweise und konkrete Aktivitäten aufgezeigt.Hier geht's zum Online-Tool  

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