Gert BrudererDie Frage begleitet den Redaktionsleiter sein halbes Leben lang. Schon vor zehn Jahren, als Bucheli ebenfalls in Heerbrugg auftrat, war das Thema praktisch das gleiche. «Wahrsagerei oder Wissenschaft?» lautete damals die Frage.Diesen Mittwoch nun hatten alle ersten Klassen der Kantonsschule das Vergnügen, verkörperte Leidenschaft zu bezeugen und Erläuterungen wie ein erfrischendes Sommergewitter über sich hereinbrechen zu lassen – allerdings in verdunkelter Aula, weil ausgerechnet an diesem Tag das zuvor trübe Wetter durch Sonnenschein ersetzt worden war und dieser nicht zu projizierten Bildern und Grafiken passen wollte.Heerbrugg am Dienstag bei Meteo erwähntWer tags zuvor die TV-Sendung Meteo gesehen und aufmerksam auf die Karte geschaut hatte, konnte die Ortschaft Heerbrugg aufgeführt sehen – und siehe da: Es war kein Zufall. Thomas Bucheli hatte den Ortsnamen absichtlich berücksichtigt, im Hinblick auf seinen Besuch hier im Rheintal, wo er am Abend ein zweites Mal auftrat, erneut im Kantonsschulgebäude, nun als Gast der Volkshochschule.Die Gelegenheit war günstig, dem berühmten Meteorologen jene Fragen zu stellen, die Rheintaler womöglich besonders interessieren. Mischa Thurnherr, Hobby-Wetterfrosch aus Berneck, schrieb der Redaktion auf deren Wunsch, was er selbst Bucheli fragen würde. Erstens: Hat der Klimawandel eher mehr oder eher weniger Föhntage zur Folge? Zweitens: Wie wirkt er sich auf den Nebel aus? Thomas Bucheli (der den Klimawandel nicht für eine Glaubensfrage hält, sondern als physikalisch ergründbaren Vorgang betrachtet) antwortete: Öfter als bisher werde es seiner Einschätzung nach keinen Föhn geben, aber sei er da, könnte er länger dauern. Was den Nebel angeht, wagte er keine Einschätzung, es sei jedoch seit Jahrzehnten die Zunahme von Hochnebel feststellbar. Zumal gerade der Rheintaler den Eindruck gewinnen kann, von Nebel übermässig eingedeckt zu werden, eine dritte Frage an den Fachmann: Ist das Rheintal denn ein Nebeltal? «Der Jura-Südfuss ist schlechter dran», lautete Buchelis spontane Antwort. Er ergänzte: Das Rheintal sei nicht eine jener Regionen, in denen Nebel am häufigsten vorkomme.Der dauernde Kampf gegen UngleichgewichtBucheli, der im Seetal aufwuchs, liebt den Nebel. Wann immer es die Eltern in die Höhe drängte und er aufgefordert war, sich ihnen anzuschliessen, trübte dies sein Glück. Er fand es ungleich spannender, geborgen unter der Nebeldecke zu lesen. Die Kantonsschüler ermunterte er, ebenfalls neugierig zu sein und zu versuchen, die Welt zu verstehen. Dazu gehört, die Begriffe Wetter und Klima nicht gleichzusetzen und sich der Tatsache bewusst zu sein, dass jedes Wetterereignis dem fortwährenden Bemühen der Atmosphäre entspringt, das energetische Ungleichgewicht zu beheben. Der hierzu nötige Energietransport erfolgt durch die Luftmassen, die Meeresströmung sowie die Phasenänderungen des Wassers (also den Wechsel des Aggregatszustandes z. B. von Wasser zu Eis oder zu Wasserdampf). Kennt der Wetterfrosch zu einem bestimmten Zeitpunkt das Wetter überall auf der Welt und weiss er ausserdem, wie Physik funktioniert, so kann er das Wetter an einem bestimmten Ort zuverlässig vorhersagen. Es ist dann eine «exakte» Berechnung der Wetterberechnung möglich, aber die Anführungszeichen bringen die Krux zum Ausdruck: Messfehler und Rechnungsfehler können den Prognostikern einen Strich durch die Rechnung machen, weshalb Bucheli seine Arbeit mit dem Jassen vergleicht. Auch dort versuche er mit immer wieder neuen Karten die maximale Punktzahl zu erreichen. Zieht er als Meteorologe Bilanz, so windet er seinem 15-köpfigen Team ein Kränzchen: «Auf Dauer sind wir doch recht gut.» Immerhin gab es schon mehrere Preise, auch internationale, und letztes Jahr wurde man mit dem Ostschweizer Radio- und Fernsehpreis belohnt.Wetterprognose für Adolf OgiVon einer Schülerin nach der bis heute «spannendsten Wetterprognose» gefragt, erzählte Thomas Bucheli eine Anekdote, die er dem früheren Bundesrat Adolf Ogi verdankt. Ogi hatte eine Wanderung mit Gästen im Berner Oberland geplant und wandte sich an Bucheli: Er, Ogi, bitte ihn, ihm bis am Sonntagmittag mitzuteilen, ob das Wetter vom Montag die Wanderung zulasse. Der Fachmann ortete einen Kaltluftaufbruch, instabil geschichtete Luft, aufziehende Gewitter – und beschrieb Adolf Ogi recht skeptisch die Lage. Als Bucheli nebenbei das Wort Föhn fallen liess, hakte Ogi sofort ein: Föhn? Im Oberland? Dann sei die Sache klar.Thomas Bucheli, der Kausalzusammenhänge nach dem Muster «Wenn, dann» in der Meteorologie für untauglich hält, widersprach trotzdem bloss halbherzig – was schlechtes Gewissen zur Folge hatte, und haarsträubendes Wetter für Ogi. Dieser meldete sich nach der Wanderung erneut und meinte, es sei halb so schlimm gewesen. Man habe ja einkehren können. Bucheli erhielt schon bald darauf von Ogi eine zweite Chance – und rehabilitierte sich mit einer Vorhersage, die sich als richtig erwies.Für den Vortrag an der Kanti bekam Thomas Bucheli von seiner Studienkollegin Cornelia Bally etwas Feines überreicht. Die Geografielehrerin überreichte dem Gast «dank des Rheintaler Föhns perfekt herangereiften Wein».Zwei Schülerinnen legten Wert auf ein Gruppenbild mit dem Meteo-Star, und Judith Mark, die Rektorin, übermittelte frohgemut eine besondere Anerkennung. Soeben hatte sie Schüler gefragt, ob der Vortrag interessant gewesen sei, und zur Antwort bekommen: «Sehr sogar.»reklame