02.03.2021

Fleisch galt als Todsünde

Vor 200 Jahren war es kein Kavaliersdelikt, in der Fastenzeit doch Fleisch zu essen.

Von Peter Eggenberger
aktualisiert am 03.11.2022
In der von Aschermittwoch bis Ostern dauernden Fastenzeit war in katholisch geprägten Gegenden der Genuss von Fleischprodukten strengstens verboten. Zuwiderhandlungen wurden drastisch bestraft: Vor 200 Jahren etwa verweigerte der Oberegger Pfarrer einem diesbezüglichen Sünder sogar ein christliches Begräbnis.Im Buch «Oberegger Geschichte» erinnert Autor David Hänggi-Aragai auch an ausgesprochen unerfreuliche Begebenheiten rund um die katholische Pfarrei. Viel zu reden gab unter anderem das selbstherrliche Walten von Pfarrer Johann Baptist Liebherr, der von 1818 bis 1829 in Oberegg wirkte. Sein Gegenspieler, Alt Hauptmann Sebastian Sonderegger, muss ein Freigeist gewesen sein, verzehrte er doch während der Fastenzeit in aller Öffentlichkeit ein Fleischgericht.David Hänggi: «Vom Pfarrer darauf angesprochen, entgegnete Sonderegger, dass er nur an das glaube, was in der Bibel stehe und nicht an das Beichten, Fasten und Ähnliches, das nur zur Befriedigung des Eigennutzes der Geistlichen eingeführt worden sei. Darauf wurde er vom streitbaren Pfarrer eigenmächtig exkommuniziert.»Für viele war Sonderegger ab sofort eine geächtete Person. Auch bei seinem Tod im Jahr 1828 zeigte Pfarrer Liebherr absolut kein Mitgefühl, verwehrte er ihm doch das Begräbnis auf dem Oberegger Friedhof.Deshalb wurde eine Bestattung auf dem reformierten Totenacker in Trogen vorgesehen. Da Sonderegger aber bei einem Teil der Bevölkerung überaus beliebt war, setzte die Oberegger Behörde gegen den Willen des Geistlichen eine ordentliche katholische Beisetzung auf dem örtlichen Friedhof durch.Am Begräbnistag kam es zu einem offenen Streit zwischen den Anhängern des erzkonservativen Pfarrers und den liberal gesinnten Obereggern. Damit war der Ruf von Liebherr und seinen Getreuen für längere Zeit arg ramponiert, und erst Jahre später glätteten sich die Wogen wieder.

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