06.01.2021

Fitnessstudios setzen auf Sport im Netz

Viele Rheintaler Fitnessbetriebe halten ihre Kunden während des Teil-Lockdowns mit Trainingsalternativen bei Laune.

Von Seraina Hess
aktualisiert am 03.11.2022
Fabienne Christinger erkennt ihr Fitnessstudio kaum wieder. Die Indoor- Cycling-Geräte sind allesamt weg, Kurz- und Langhanteln ebenfalls. Was der Inhaberin des Fit-Treffs Ruderbach in St. Margrethen aber am meisten fehlt, sind Gäste. «Ich bin wirklich wütend», sagt Christinger, die den Betrieb vor 14 Tagen zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate schliessen musste und ihren Kunden deshalb eigenhändig Fitnessgeräte in die Stube geliefert hat.Damit spricht sie für viele Kollegen der Branche, die normalerweise gerade jetzt, kurz nach Neujahr, intensiv um neue Mitglieder werben. Dann, wenn die halbe Schweiz die Weihnachtsvöllerei ausgleichen und neue Vorsätze umsetzen will. Plakate mit vergünstigten Abo-Angeboten sucht man derzeit aber vergebens, und sie dürften noch eine ganze Weile auf sich warten lassen, nachdem der Bundesrat gestern den Kantonen eine Verlängerung der Einschränkungen in die Vernehmlassung gegeben hat. «Es ist leider nicht das erste Mal, dass es uns so hart trifft», sagt Daniela Casanova, Geschäftsführerin des Altstätter Fitness- und Sportcenters Vitalis Sports. «Schon die Schliessung im letzten März war schlimm, weil die ersten drei Monate des Jahres zu den wichtigsten in unserer Branche zählen.»Betriebe schreiben die verlorene Trainingszeit gutDass der Fitnessalltag mit der zweiten Welle schwierig werden würde, zeichnete sich im Bernecker Gruppentrainingsstudio Step in bereits im Oktober ab. Inhaberin Karin Schweinzger sagt: «Vierzig Prozent meiner Kundinnen haben ihr Abo bisher noch nicht erneuert, aus Angst vor der drohenden zweiten Schliessung.» Dabei schreibt Step in wie alle anderen befragten Rheintaler Fitnessbetriebe die verlorene Trainingszeit gut – auf eigene Kosten (siehe Zweittext). Das ist es denn auch, was den Fitnessbetreibern zunehmend Sorgen bereitet, bestätigt Riccardo Danubio, dem das Fitness Nöllen in Widnau und Altstätten gehört. «Natürlich beabsichtigen wir, Ausfälle gutzuschreiben wie im ersten Lockdown. Doch falls wir bis im März nicht öffnen dürfen, könnte das wirklich schwierig werden.» Mit der Yogamatte vor dem BildschirmIn der aktuellen Krise geht es für die Betreiber immer auch um langfristige wirtschaftliche Überlegungen. Darum, die Kunden bei Laune zu halten, obschon sie nicht mehr im Studio trainieren dürfen. Gelingen soll das einerseits mit einer kulanten Erstattungspolitik, andererseits mit Trainingsalternativen. Fitnesslektionen im Netz werden inzwischen nicht nur von grossen Ketten angeboten, sondern auch von lokalen Betrieben wie dem TC Heerbrugg oder dem Fitnessstudio Wrkout. Die Instruktoren von Vitalis Sports in Altstätten haben ihren Mitgliedern bereits im letzten Frühling mehrere Videos mit Übungen fürs Training zu Hause aufgenommen. «Falls die Schliessung noch länger dauert, werden wir das wieder in Erwägung ziehen», sagt Geschäftsführerin Daniela Casanova.Auf einen Livestream setzt das Bernecker Step in, und das täglich. Im Schnitt bringen sich 14 Personen pro Lektion auf der Yogamatte vor dem Bildschirm in Position, um mit Karin Schweinzgers Team zu schwitzen. Obschon sie dadurch einen Teil ihrer Kunden erreicht, bleibt die Unternehmerin kritisch: «Streaming ist zwar gut und recht; man darf aber nicht vergessen, dass die Übertragung mit grossem Aufwand und Ausgaben für Technik verbunden ist. Doch wir machen natürlich, was wir können – in der Hoffnung, unsere Kunden trainieren weiter.» Kein vollwertiger Ersatz nach CoronaAuch Riccardo Danubio hat die Spiegelsäle seiner Zentren in Filmstudios verwandelt. «Es ist erstaunlich, wie gut die Trainings ankommen», sagt der Fitnessunternehmer. Der letzten Lektion hätten zu Spitzenzeiten 65 Personen beigewohnt, der Rekord liege bei 120. «Vermutlich sind die Online-Workouts erfolgreich, weil wir nicht einfach ein Video eines beliebigen Anbieters veröffentlichen, sondern unsere eigenen Instruktoren vor die Kamera stellen.» Die Ostschweizer Kette Update Fitness, die im Rheintal in Heerbrugg und Altstätten vertreten ist, hat ihr Online-Angebot seit dem Frühling stark ausgebaut und bietet Neukunden sogar Abos an, die sich ausschliesslich auf Kurse im Netz beschränken. Überleben dürfte diese Form des Sports die Pandemie allemal. Kommunikationsleiter Phil Haid sagt dennoch: «Das Online-Angebot kann eine ergänzende Trainingsform sein, ersetzt aber auch künftig weder das Training an den Geräten noch dessen Wirkung.»  Gutschrift hängt vom Vertrag abRückerstattung Die befragten Fitnesscenter zeigen sich alle kulant und schreiben ihren Mitgliedern die verlorene Trainingszeit gut. Doch müssen sie das überhaupt? «Bei einem Fitnessabo handelt es sich um einen Vertrag mit mietrechtlichen und auftragsrechtlichen Aspekten. Dazu gehören etwa die Benutzung von Räumen und Fitnessgeräten, die Beratung sowie Kursangebote», erklärt Rechtsanwältin Karin Bürki Sonderegger von der Anwaltskanzlei Bürki Bolt in Heerbrugg. Grundsätzlich herrsche aber Vertragsfreiheit, weshalb die allgemeinen Geschäftsbedingungen der einzelnen Center zu beachten seien. Darin kann das Fitnesscenter beispielsweise festhalten, dass der Abopreis auch geschuldet ist, wenn der Betrieb die Leistung nicht erbringen kann. «In diesem Fall können die Kunden aufgrund der coronabedingten Schliessung keine Rückerstattung geltend machen», sagt Bürki. Ist in den allgemeinen Geschäftsbedingungen jedoch nichts vereinbart, ist der Kunde berechtigt, einen Teil des Betrages für die Zeit während der Schliessung zurückzuverlangen, da das Geld nur gegen Leistung geschuldet ist. Eine Verlängerung des Abos um die Zeit der Schliessung ist gesetzlich nicht geregelt, kann jedoch in den allgemeinen Geschäftsbedingungen ebenfalls vorgesehen werden und ist gültig. Karin Bürki ergänzt: «Ungeachtet der gesetzlichen Bestimmungen rate ich sowohl den Fitnessunternehmen wie auch Kunden, gemeinsam eine einvernehmliche Lösung zu finden. Es ist nicht nur für die Konsumenten eine Zeit der Entbehrung, auch die Fitnesscenter leiden stark unter der verordneten Schliessung.» (seh) 

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