13.12.2020

«Es sticht wie 1000 kleine Nadeln»

Ilona Vaccariello-Menzi und Gabriela Schneider lieben es zu schwimmen. Seit diesem Jahr auch bei Schneegestöber.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Popstar Lady Gaga hat es schon getan. Russlands Präsident Wladimir Putin macht es angeblich regelmässig und bereits von Johann Wolfgang von Goethe ist bekannt, dass er das Eis der Ilm aufgehackt hat, um im kalten Wasser zu baden. Seit diesem Jahr zählen auch Ilona Vaccariello-Menzi aus Berneck und Ga­briela Schneider aus Widnau zu den Winter- respektive Eisschwimmerinnen. Während andere fröstelnd in Steppjacke und Schal am Ufer spazieren gehen, schwimmen sie bei einstelligen Wassertemperaturen im Baggersee oder Bodensee.«Beim Eisschwimmen geht es uns nicht um Anerkennung, wir machen es für uns.»Ilona Vaccariello-Menzi, Eisschwimmerin aus Berneck«Obwohl das Wasser mit knapp sechs Grad wie tausend kleine Nadeln sticht, geniesse ich das Einssein mit der Natur», sagt Gabriela Schneider. Der Blick sei einzigartig, die Stimmung unglaublich und die Glücksgefühle nach dem Baden unbeschreiblich. «Das Eintauchen ist jedes Mal eine Herausforderung, die es zu überwinden gilt», sagt Ilona Vaccariello. Wegen der Kälte komme der Körper in eine Art Schockzustand und man neige zur Schnappatmung. Doch mit jedem Zug werde es besser und man finde wieder Ruhe und zu sich selbst.Dem Sommer ein Schnippchen schlagenDie beiden Frauen verbindet das Schwimmen. Kennengelernt haben sie sich beim Frühschwimmen im Freibad Widnau. «Weil Schwimmen mein Sport ist, aber alle Hallenbäder in der Nähe geschlossen sind, entschloss ich mich, die Freibadsaison in diesem Jahr zu verlängern», sagt die 52-jährige Ilona Vaccariello. Ausserdem wollte die technische Kauffrau und Mutter testen, welche Wirkung das Winterschwimmen auf ihren Körper hat und wie weit sie gehen kann. «Ich wollte die Komfortzone verlassen.»«Das ganze Jahr draussen schwimmen, war schon immer ein Traum von mir», sagt die 60-jährige Gabriela Schneider. Der Reiz, dem Sommer sozu­sagen ein Schnippchen zu schlagen, war gegeben, weshalb sie einfach weiter draussen schwamm. Jetzt seien sie und Illona Vaccariello bereits im Advent angelangt. «Zu zweit macht es unheimlich Spass und gibt Motivation», sagt die stolze Oma von drei, bald vier Enkelkindern.Pro Grad maximal eine Minute drinbleiben«Wir kontrollieren die Schwimmzeit und befragen unser Wohl­befinden», sagt die Widnauerin. Wenn die Wassertemperatur im einstelligen Bereich liegt, gilt die Faustregel, pro Grad maximal eine Minute lang im Wasser bleiben. «Wichtig ist, auf seinen Körper zu hören und aus dem Wasser zu steigen, wenn die eigene Grenze erreicht ist», ergänzt die Berneckerin.Unter anderem weil alle Hallenbäder der Region geschlossen sind, schwimmen Gabriela Schneider und Ilona Vaccariello-Menzi immer noch draussen.  Weil die meiste Wärme über den Kopf verloren geht, ist eine Badekappe ein Muss. Ohrenstöpsel, damit kein kaltes Wasser in die Ohren gelangt, ebenso eine Schwimmboje, die der Sicherheit dient. Auf einen Neoprenanzug wird beim Eisschwimmen verzichtet, eine Badehose genüge, erklärt Ilona Vaccariello. Weiter gilt es zu beachten, dass man gut und sicher schwimmen können muss und körperlich topfit sein sollte. Fatal seien Einzelgänge, sich und seinen Körper zu überschätzen sowie gesundheitliche Beschwerden zu ignorieren. Wer nicht sicher ist, soll zuerst mit seinem Arzt reden.Keine warme Dusche nehmen«Um ein Eisschwimmer oder eine Eisschwimmerin zu werden, sollte man im Sommer, spätestens aber im Herbst mit dem Training beginnen, um sich so allmählich an die sinkenden Luft- und vor allem Wassertemperaturen zu gewöhnen», sagt Gabriela Schneider. Bevor sie ins Wasser gleitet, schnallt sie sich die Rettungsboje um, wärmt sich mit Armkreisen auf, atmet ruhig und fokussiert.«Manche Freunde finden, ich sei verrückt, aber sie wissen, dass ich das Wasser liebe.»Gabriela Schneider, Eisschwimmerin aus WidnauWer im Eiswasser schwimmt, sollte sich genug Zeit fürs Aufwärmen nehmen. «Ich ziehe mich sehr warm an, damit ich nicht frierend in den See gehe», sagt Ilona Vaccariello, «zudem drehe ich vorher eine schnelle Runde mit dem Hund durch die Reben.» Nach dem Bad sollte es rasch gehen: «Nasse Badehose ausziehen, den Körper mit einem Badetuch abtupfen, nicht rubbeln, in den Bademantel schlüpfen und warme Kleider anziehen», sagt die Widnauerin.Wichtig sei ein System beim Anziehen: «Zuerst ziehe ich die Wollmütze über den Kopf und streife die Socken an. Dann kommt der Rest», sagt die Berneckerin. Der Körper soll die Wärme selber wiederherstellen und sich regulieren, wodurch heisses Duschen nicht empfehlenswert sei.Sobald man aus dem Wasser kommt, herrscht ein Hoch der Gefühle. «Es ist prickelnd kalt und wärmend zugleich», sagt Gabriela Schneider. Man sei vor allem glücklich, es geschafft zu haben. «Unsere Familien stehen mit Begeisterung hinter uns und unserem eiskalten Hobby. «Es geht uns aber nicht um Anerkennung, wir machen es für uns», meint Ilona Vaccariello. «Manche Freunde finden, ich sei etwas verrückt, aber sie kennen mich und wissen, dass ich das Wasser liebe», sagt Gabriela Schneider. Sie möchte mit Ilona Vaccariello über den Winter bis in den Frühling draussen schwimmen. Vielleicht kommt auch der Eispickel zum Einsatz, wenn der Baggersee zugefroren ist.  «In ein Eisloch zu steigen, wäre im wahrsten Sinn des Wortes eine coole Sache», sagen die Frauen.

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