«Es ist so leer zu Hause.» Die ältere Frau sitzt auf ihrem Spitalbett und blickt traurig aus dem Fenster. Sie beginnt zu erzählen: Wie sie ihren Mann die letzten Jahre in seiner Krankheit zunächst allein zu Hause gepflegt hatte, wie sie an ihre Grenzen kam.
Sie berichtet von der Unterstützung durch die Spitex, von Spitalaufenthalten des Mannes und vom Umzug des Mannes ins Heim, wo sie ihn täglich besuchte.
Freunde und Nachbarn nicht belasten
Nun sind es bereits fast zwei Jahre her, dass ihr Mann dort im Heim starb, in einer Zeit, als sie gerade nicht bei ihm war. Sie wollte eigentlich an seinem Bett sitzen und seine Hand halten, wenn er stirbt. Manchmal fragt sie sich, ob sie am Schluss versagte. Kinder haben die beiden nicht, die eigenen Geschwister wohnen weit weg, der Kontakt ist selten.
Nachbarn und Bekannte möchte die Frau nicht mit ihrer Geschichte belasten. Freundschaften und Hobbys sind in den Jahren der Krankheit des Mannes immer weniger geworden, es war gar keine Zeit mehr dafür da – und auch keine Kraft. Die Frau, der ich im Spital begegne, trauert: um den Partner, um verlorene gemeinsame Zeit, um die eigenen Ansprüche, die sie nicht ganz erfüllen konnte. Hinter ihr liegen Jahre, die sie sehr gefordert und ihr Leben tief verändert haben.
Internationaler Welthospiztag
Jeweils Mitte Oktober findet international der Welthospiztag statt und macht uns aufmerksam auf die vielen Menschen, die selbst oder als Angehörige mit unheilbarer Krankheit und der Trauer über verlorenes Leben konfrontiert sind. Die Hospiz- und Palliative-Bewegung setzt sich ein für einen ganzheitlichen, würdevollen Umgang mit den Betroffenen. Dabei ist die Lebensqualität der kranken Menschen und ihrer Zugehörigen der Massstab der Betreuung.
Für uns alle können Tage wie der Welthospiztag ein Anlass sein, bewusst hinzusehen, sensibel zu sein für die Menschen, die gerade Angehörige pflegen, unheilbar erkrankte Menschen begleiten oder selbst unheilbar erkrankt sind und auch für all jene, die trauern um abgebrochene Lebensentwürfe, einen geliebten Menschen oder ihre Gesundheit.
Es huscht ein Lächeln über das Gesicht der Frau, als sie mich nach einer kurzen Pause anblickt, sagt sie: «Oft begegne ich auf dem Friedhof einer Frau, die auch immer allein dort ist. Grad letzte Woche hat sie mich angesprochen, ob ich Lust auf einen gemeinsamen Kaffee hätte. Nächsten Dienstag werden wir uns treffen. Wer weiss, vielleicht tut uns das beiden gut.»