Vernünftig, konsequent, verantwortungsbewusst. Diese Eigenschaften treffen auf Paula Seitz, 68 Jahre alt, und ihren 71 Jahre alten Gatten zu. Das Widnauer Ehepaar nutzt seit Beginn der Coronakrise einen Einkaufsservice. Und das, obwohl zwei ihrer drei Töchter, eine wohnhaft im Kanton St. Gallen, die andere in Appenzell Ausserrhoden, angeboten hatten, die Einkäufe für die Eltern zu erledigen. «Wir hätten uns Vorwürfe gemacht, wenn eine unserer Töchter sich mit dem Coronavirus angesteckt hätte, weil sie zusätzlich für uns beim Einkaufen war», sagt Paula Seitz. Konsequenz leitete das Ehepaar bei der Auswahl des Lieferservice-Angebots. Die langjährigen Migros-Kunden verwenden jetzt Lebensmittel vom Spar in Au, ein hinnehmbarer Kompromiss.Möglichst wenige Personen involvierenBeim Lieferdienst des Kinotheaters Madlen gibt Paula Seitz ihre Bestellung auf, diese wird von dort an den Spar im Dornacherhof weitergeleitet, wo ein Lehrling die Bestellung zusammenpackt. Vom «Madlen»-Lieferservice wird der Einkauf zum Ehepaar nach Widnau gebracht. Bezahlt wird vor Ort. «Ich finde es gut, dass möglichst wenige Personen vor die Tür müssen, um zu helfen. Es ist gut für das eigene Gefühl», sagt Paula Seitz.Rund 80 Auslieferungen hat der Einkaufsservice des Kinotheaters Madlen in den letzten drei Wochen getätigt. Überwiegend an Senioren, nur etwa 5 % an andere Risikopersonen. Zusätzlich werden Botengänge erledigt und etwa 20 warme Essen pro Woche ausgeliefert.Weniger Nachfrage nach einer Einkaufshilfe herrscht hingegen in Oberriet, Montlingen oder Eichenwies, wo jeweils die Frauengemeinschaften oder die Diakonie Einkaufshilfen anbieten.Viele Helfer, geringeNachfrage«Wir haben ganz viele Helfer, und die Solidarität ist gross», sagt Andrea Zai-Kluser, Präsidentin der Katholischen Frauengemeinschaft Montlingen-Eichenwies. Unterstützt werden aktuell (nur) sechs Senioren. Dieser Umstand erlaubt es allerdings, spezielle Wünsche zu erfüllen. Einem Senior werden jeden Morgen zwei Bürli ins Haus gebracht. Gar nur vier ältere Personen haben sich bislang bei Gabi Ceric, der Pfarreibeauftragten der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Eichberg-Oberriet, gemeldet. Sie habe die Anmeldeliste für Helferinnen und Helfer geschlossen, da bereits 21 Personen vermerkt seien und die Nachfrage überschaubar sei. Woran das liegt? Gabi Ceric fallen drei Gründe ein: Die dörflichen Strukturen sind noch intakt, häufig wohnen die Kinder noch am Ort oder Nachbarn kümmern sich um Ältere. An zweiter Stelle sieht Ceric den Umstand, dass viele Seniorinnen und Senioren noch immer nicht begriffen hätten, dass sie nicht Einkaufen gehen sollen. Zuletzt schliesslich böten auch die kleinen Quartierläden eine Heimlieferung an.Carla und Dario Menegola aus Widnau hatten kaum Zeit, sich mit den verschiedenen Angeboten und Einkaufshilfen auseinanderzusetzen, als sich bereits zwei Nachbarinnen anboten, für sie die Einkäufe zu er-ledigen.Der 86-jährige Dario Menegola hatte bereits einige Lungenentzündungen und käme nicht auf die Idee, in Zeiten des grassierenden Coronavirus zum Einkaufen zu gehen. «Ich verlasse das Haus morgens früh und am späteren Abend für einen kurzen Gang mit unserem Hund, mehr nicht», sagt er. Seit einigen Wochen stellt nun eine Nachbarin dienstags frisches Gemüse und Obst vor die Tür. Eine andere Nachbarin bringt freitags die restlichen benötigten Lebensmittel vorbei. «Das ist sehr praktisch, und wir sind dankbar für diese Hilfe», sagt Carla Menegola.Ohne die Nachbarschaftshilfe hätten Menegolas vielleicht die Einkaufshilfe Mittelrheintal, organisiert von den Sozialen Diensten (S-D-M), genutzt. Sie steht Einwohnern der Gemeinden Balgach, Berneck, Diepoldsau und Widnau offen. Erledigt wurden in der Woche Ende März/Anfang April 50 Einkäufe, wobei Widnauer Pensionäre den Service mit 27 Aufträgen am häufigsten nutzten, gibt Roger Märkli von den S-D-M an. «Die Gemeinden sind sehr kulant, da sie die Einkäufe vorfinanzieren und dann verrechnen.»