24.09.2021

Es ist genug Segen für alle da

Von Andrea Hofacker
aktualisiert am 03.11.2022
Am Sonntag stimmen wir in der Schweiz über die «Ehe für alle» ab. Die Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons St. Gallen segnet die Beziehungen zwischen zwei Frauen oder zwei Männern bereits seit 20 Jahren. Die Ehe ist im evangelischen Verständnis kein Sakrament, sondern eine Segenshandlung, die eine Beziehung zwischen zwei Menschen mit einschliesst. Zivilrechtliche Fragen und die Ehe als Rechtsinstitut liegen beim Staat, nicht bei der Kirche. Darüber muss man theologisch gar nicht streiten.Aber der Segen, der von Gott kommt, und alles Leben auf der Erde meint, kann nicht portioniert oder sanktioniert werden. Er ist im besten Sinne demokratisch, weil er allen Menschen gleichermassen gilt.Wir wissen das aus der Bibel von den Geschichten um Jakob. Jakob hat sich den Segen seines Vaters erschlichen, mit mehreren Tricks seinen älteren Bruder ausgebootet. Und er hat dafür schwer gebüsst, mit einem Leben ohne seine Familie, seine Heimat. Aber das war ihm der Segen Gottes wert. Er hat in der Fremde gelebt und dort seine Kinder, seine Töchter und seine zwölf Söhne gross gezogen. Er hat erleben müssen, dass seine Söhne auf den jüngsten, Josef, eifersüchtig wurden.Sie haben ihm den Segen Jakobs so wenig gegönnt, dass sie ihn als Sklaven nach Ägypten verkauft haben. Im Laufe seines langen Lebens mit vielen guten, aber auch sehr schweren Erfahrungen beschliesst Jakob, den Segen nicht nur dem ihm Liebsten oder dem Ältesten zu geben, sondern allen seinen Kindern. Er demokratisiert den Segen Gottes. Er verteilt ihn grosszügig auf seinem Sterbebett. Er gibt ihn allen seinen Nachkommen, denn er hat gelernt, dass man mit Segen nicht sparen muss. Niemandem wird etwas weggenommen, wenn ein anderer oder eine andere auch gesegnet wird. Niemand verliert etwas, wenn anderen auch Gutes widerfährt.Es ist genug Segen für alle da. Vielleicht verhält es sich ja mit der «Ehe für alle» gleich, und es ist auch genug «Ehe» für alle da?Andrea HofackerPfarrerin in Marbach

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