03.05.2020

«Es gibt keine Hilfe, wenn wir bleiben»

Die Rheintaler Anja Hasler und Marco Spirig waren mitten auf ihrer Weltreise, als das Coronavirus die Welt lahmlegte.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Vor einigen Wochen startete die grösste Rückholaktion in der Schweizer Geschichte. Das Eidgenössische Departement für äussere Angelegenheiten (EDA) forderte Tausende Schweizer, die sich im Ausland aufhielten, auf, in die Heimat zurückzukehren.  Viele Gestrandete folgten dem Aufruf und brachen ihre Reise ab. Nicht so die im Rheintal aufgewachsenen Anja Hasler (Altstätten) und Marco Spirig (Diepoldsau). «Wir diskutierten viel, waren uns aber immer einig, dass wir hier in Laos bleiben möchten», sagen sie und ergänzen: «Die Rückkehr in die Schweiz hätte den definitiven Abbruch unserer Reise bedeutet.»Ein Pizzaofen im Bungalowresort «Zu Beginn der ‹Krise› waren wir knapp zwei Wochen an einem Fluss etwa vier Autostunden ausserhalb von Vientiane (Hauptstadt von Laos)», sagt Marco Spirig, «dort haben wir, wie so oft auf unserer Reise, wild gecampt.» Sie trafen nur auf wenige Einheimische und fühlten sich sicher.  Als vermehrt Informationen über das Coronavirus aus der Schweiz eintrafen, entschieden sie sich, näher an die Hauptstadt heranzufahren. Zuerst fanden sie bei einem kanadischen Expat zwei Wochen  lang Unterschlupf, bevor sie mit ihren vier Reisefreunden aus Frankreich und Mauritius in ein offizielles Bungalowresort wechselten. Hier harren sie der Dinge. «Uns geht es sehr gut. Wir sind an einem sicheren Ort», sagen die Weltenbummler. «Wir sind in guter Gesellschaft, haben Zugang zum Supermarkt, und sowohl Gemüse als auch Früchte werden für uns frisch vom Markt eingekauft.» Sie hätten kaum Engpässe festgestellt, einzig die Kosten für Desinfektionsmittel seien gestiegen.  Trotzdem stecken sie im Resort fest und dürfen es nur zum Einkaufen verlassen. In Laos dürfen nur eine bis zwei Personen pro Haushalt das Haus verlassen. Auf den Strassen gibt es Checkpoints, an denen Dokumente geprüft und Fieber gemessen wird. Der Lockdown sollte bis gestern, 3. Mai, dauern. Die Grenzen zu den Nachbarländern sind – ausser für den Güterverkehr – geschlossen.  «Wir sechs sind die einzigen Gäste im Resort», sagt der 35-Jährige Marco, «wir dürfen in unseren Autos schlafen und die ganze Infrastruktur benutzen.» Es gebe eine Outdoorküche, eine grosse Feuerstelle, ein gemütliches Bambushäuschen zum Verweilen und vieles mehr. Die Besitzer seien sehr nett und hätten das Resort extra für sie geöffnet. «Es gibt genug zu tun. Wir dürfen reparieren und bauen, was wir wollen», sagt die 36-jährige Anja, «ein Pizzaofen steht schon auf dem Plan.»Angst vor Reisenden aus Europa Ihr Plan war, von Laos durch China in die Mongolei zu reisen. Anfang Februar wurde ihnen bewusst, dass sie so schnell nicht mit ihrer «Rosie», einem Land Rover Defender 110, den sie selber zu einem 4 × 4-Camper umgebaut haben, durch China fahren würden. Sie loteten ihre Möglichkeiten aus: Verschiffung von «Rosie» nach Russland oder Einreise nach Laos. Letzteres setzten sie um. Die Laoten seien grundsätzlich sehr entspannte Leute und das bemerke man auch jetzt. Soweit es die beiden Globetrotter beurteilen können, gehen die Laoten gelassen mit der neuen Situation um. Gerade sei laotisches Neujahr gewesen, während dessen normalerweise grosse Feste stattfinden und Wasserschlachten auf den Strassen ausgetragen werden. «Die grossen Veranstaltungen waren alle abgesagt und die meisten Laoten feierten im kleineren Kreis mit der Familie, so auch die Familie des Resorts», sagt die Juristin.  Zurzeit tragen fast alle Menschen in Laos einen Mundschutz und vereinzelt auch Handschuhe. Südostasiaten sind es aber auch gewohnt. So ziehen sie diese an, wenn sie selber krank sind oder die Luftverschmutzung zu hoch ist. «Je intensiver Corona zum Thema wurde, desto mehr bemerkten wir, dass Laoten vor uns Europäern Angst haben», sagt der Elektroingenieur, «sie denken, wir bringen das Virus in ihr Land, was wohl teilweise auch stimmt. Wenn wir jedoch ebenfalls Mundschutz tragen, werden wir wie immer freundlich bedient.»  Die Ungewissheit, wie lange die Krise dauern wird, sei schwierig zu ertragen, aber Angst hätten sie keine. Es ergebe keinen grossen Unterschied, ob die beiden zu Hause in der Schweiz festsitzen oder in Südostasien.  Viele ihrer Freunde, die sie unterwegs kennen gelernt haben, brachen die Reise aus unterschiedlichen Gründen ab. Sie kennen aber auch einige, die im Ausland ausharren. Das EDA informierte regelmässig über bevorstehende Flüge und die aktuelle Situation. «Es machte klar, dass es uns nicht gross weiterhelfen könne, wenn wir im Land blieben», sagt Marco Spirig. Grundsätzlich sei bisher alles nach ihren Vorstellungen gelaufen. Sie konnten die Route wie geplant einhalten. «Wir merkten aber schnell, dass wir spontan bleiben müssen. Situationen können sich schnell ändern», sagt Anja Hasler. Neue Regeln bezüglich der Einreise mit dem eigenen Auto in verschiedenen Ländern behinderten auch sie. Sie lernten, dass für jedes Problem eine Lösung vorhanden sei, wenn sie ruhig blieben.  Aktuell haben sie viel Zeit für Sachen, die sie vor sich hergeschoben haben: das Auto reinigen und kleinere Verbesserungen vornehmen, Texte für ihren Blog schreiben und Fotos für Instagram bearbeiten. «Grosse Schwierigkeiten haben wir nicht. Das Feststecken an einem Ort ist aber ungewöhnlich für uns», sagt Marco Spirig, «aber wir halten an unserem Plan fest und wollen durch China in die Mongolei oder Russland fahren.»  Sie hoffen, dass dies ab Sommer möglich sein wird, rechnen jedoch damit, dass sie in jedem Land in Quarantäne gehen müssen. Weil der sibirische Winter spätestens Mitte November beginnt, müssten sie bis dann in Russland sein. Sie überlegen sich, das Auto über den Winter in Sibirien stehen zu lassen und für zwei bis drei Monate in die Schweiz zum Arbeiten zurückzukehren.  Ob sie eine Arbeit finden, wissen sie nicht. Eventuell müssen sie ihre Reise früher abbrechen und direkt von Russland in die Schweiz fahren. «Wir wünschen uns, gesund zu bleiben und dass wir unsere geplanten Highlights, wie die Bergwelt Tadschikistans, die Wüsten der Mongolei oder das sibirische Altai noch erleben können», sagen die Weltenbummler.  Ein zweiter Bericht über die detaillierte Reise erscheint in einer nächsten Ausgabe unserer Zeitung.Hinweis Mehr Bilder und Informationen unter: www.rockinrosie.com oder auf Instagram unter rockin.rosie.on.tour.

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