Ihre Wahl war die Überraschung der letzten Kantonsratswahlen. Sie haben sozusagen aus dem Stand alle anderen Kandidatinnen und Kandidaten überflügelt, auch alle Bisherigen. Haben Sie das erwartet?
Nein, das habe ich überhaupt nicht erwartet. Ich war sehr überrascht!Nun haben Sie zur Vorbereitung der Session einen ansehnlichen Stapel Papier mit recht trockenem Inhalt bekommen. Haben Sie alles gelesen? Und dabei möglicherweise sogar schon bereut, kandidiert zu haben?
Mir war es wichtig, mich in jedes Thema intensiv einzulesen. Ich muss mir viel Wissen erarbeiten, um mich im Rat einbringen und meine Aufgabe hier verantwortungsvoll ausführen zu können. Im ersten Moment musste ich aber schon leer schlucken, als ich den Stapel vor mir ausgebreitet habe. Ich habe die Arbeit aber auf mehrere Tage verteilt, so ging es problemlos.Selbst wenn man nicht alles liest, nimmt die Politik viel Zeit in Anspruch. Jede der fünf bis sechs Sessionen im Jahr dauert zwei bis drei Tage, dann kommen noch Fraktions- und unter Umständen auch noch Kommissionssitzungen dazu. Zu Hause wäre eine Brauerei zu leiten. Wie schaufeln Sie sich die Zeit für die Politik frei?
Die Brauerei steht für mich an erster Stelle. Die Tätigkeit in der Politik ist eine zweite Leidenschaft, die zu einem grossen Teil auf Kosten meiner Freizeit geht.Ist für ein bestimmtes Hobby weniger Zeit?
Ich werde wahrscheinlich bei all meinen Freizeitaktivitäten etwas zurückstecken müssen.Sind Sie bereits für die Mitarbeit in einer Kommission vorgesehen, womit Sie sich in ein bestimmtes Thema speziell hineinknien müssten?
In eine ständige Kommission habe ich es noch nicht geschafft. Aber meine Fraktion schlägt mich für die Wahl in die vorberatende Kommission für den zehnten Nachtrag zum Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über die Krankenversicherung vor.Ihr Vater, Arnold Graf, war auch Kantonsrat, von 1996 bis 2002. Bitte verraten Sie uns doch die Tipps, die er Ihnen gegeben hat.
Mein Vater hat gemeint, dass es in der Politik auch nicht anders ist als im Betrieb. Er hat mich daran erinnert, dass es nicht nur gute Ideen braucht, um Erfolg zu haben – man muss sie auch verkaufen können. Dazu ist ein gutes Netzwerk in der eigenen Fraktion, aber auch über die Partei hinaus wichtig.Welches sind nun Ihre ersten Eindrücke vom Ratsbetrieb?
Ich bin beeindruckt, mit wie viel Herzblut und Engagement sich meine Kolleginnen und Kollegen im Kantonsrat einbringen.Sie sitzen – zumindest vorerst, solange der Kantonsrat wegen der Coronapandemie noch in den Olmahallen tagt – gleich neben den Kantonsräten der Grünen Partei. Ist es Ihnen in dieser Nachbarschaft wohl?
Ja, klar. Gerade vor mir sitzt Meinrad Gschwend. Ihn kenne ich schon seit ein paar Jahren.Und Sie werden noch mit ihm auskommen, selbst wenn er nicht in jedem Thema Ihrer Meinung sein wird?
Ja. Wäre es anders, wäre keine konstruktive Diskussion mehr möglich. Das heisst natürlich nicht, dass der Kontrahent mein bester Kollege wird.Die Politik bringt es mit sich, dass gestritten wird. Was bringt Sie auf die Palme?
Es braucht viel, bis ich mich richtig ärgere. Ich schätze die direkte Diskussion und habe sogar meistens Freude daran. Wahrscheinlich werde ich mich am ehesten ärgern, wenn nicht effizient gearbeitet wird.Wenn Sie allein das Sagen hätten: Was würden Sie ändern?
Im Moment würde ich nichts ändern. Ich möchte nicht vorpreschen, sondern lieber erst das politische System besser kennen lernen. Jeder Entscheid löst etwas aus. Diese Mechanismen will ich erst kennen. Im Übrigen würde alleiniges Entscheiden komplett meinen politischen Vorstellungen widersprechen.Sie werden aber sicher eine bestimmte Haltung haben. Wofür treten Sie ein?
Ja klar. Als Unternehmerin setze ich mich für gute Rahmenbedingungen für unsere KMU ein. Wenig Bürokratie, viel Selbstbestimmung und eine möglichst geringe Steuerbelastung tragen zu gesunden Unternehmen bei und dies wiederum zu niedriger Arbeitslosigkeit.Im Rheintal kennt Sie wohl nahezu jeder und jede: Sind Ihnen Wünsche zugetragen worden, für die Sie sich doch bitte einsetzen wollen? Und werden Sie es tun?
Bis jetzt sind noch keine Wünsche an mich herangetragen worden. Ich sehe mich aber hier im Kantonsrat als Vertreterin des Rheintals. Wenn mir Wünsche mitgeteilt werden, die meinen politischen Werten nicht widersprechen, werde ich mich selbstverständlich dafür einsetzen.