25.09.2020

«Es braucht eine konsequente Förderung»

Wir stellen drei Rheintalerinnen vor, die Politik machen, gemacht haben oder ein Exekutivamt ausüben.

Von Andrea C. Plüss
aktualisiert am 03.11.2022
Andrea C. PlüssBereits ihre Kandidatur war seinerzeit das Thema im Rheintal. Ihr Wahlsieg im Mai 1999 – im ersten Wahlgang, trotz zweier Gegenkandidaten – überraschte sogar sie selbst ein wenig. Die Rede ist von Christa Köppel, die vor 21 Jahren als erste Frau im Kanton St. Gallen in ein Gemeindepräsidium gewählt wurde. «Die einen fragten: ‹Cha diä da?›», erinnert sich die bis heute parteilose Christa Köppel, «die anderen zweifelten, ob es denn grad eine ‹Dökteri› sein müsse», sagt die Historikerin und Wirtschaftswissenschaftlerin mit Doktortitel und Managementdiplom. Es könnte ein Frauen-Sonntag werdenNeun Frauen stehen aktuell im Kanton St. Gallen einer der 77 Gemeinden vor. Ändern wird sich das aller Wahrscheinlichkeit nach morgen, am Wahlsonntag. In Rüthi stehen beispielsweise gleich mehrere Kandidatinnen für das Präsidialamt zur Verfügung – drei gut qualifizierte Frauen bewerben sich dort um die Wählergunst. Dass sich Frauen für ein politisches Amt zur Verfügung stellen, ist der erste Schritt hin zu mehr Frauen in der Politik. Es ist an den politischen Parteien, Frauen in den eigenen Reihen zu fördern und der Wählerschaft zu empfehlen. Damit begannen sie jedoch erst Anfang der 1980er-Jahre und es waren anfangs vor allem Parteien des linken Spektrums, wie Politikwissenschaftlerin Sarah Bütikofer in ihrer Studie zur politischen Partizipation von Frauen in der Ostschweiz, die 2019 erschien, aufzeigt. Dort findet sich auch der Hinweis, Frauen machten nicht ausreichend Gebrauch von ihrem Wahlrecht: «Frauen wählen weniger als Männer», was für Bütikofer die Chancen einer Frau, in ein Legislativ- oder Exekutivamt gewählt zu werden zumindest nicht vergrössert.Parteiaustritt aus EnttäuschungWie man «richtig» wählt, hat Alt-Nationalrätin Margrit Kessler aus Altstätten bereits bei der ersten Wahl erfahren, zu der sie antrat. Damals noch wohnhaft in St. Gallen, war Gatte Wolfgang Kessler von der CVP für eine Kandidatur im Stadtrat angefragt worden. «Ich habe dann gesagt, ich wolle für den Schulrat kandidieren, wenn er für den Stadtrat kandidiert», sagt die heute 71-Jährige. Sie unterlag einer befreundeten Mitbewerberin – mit einer Stimme, «das war meine», so Kessler. Sie blieb bis 1995 Mitglied der CVP und versuchte erfolglos, den Sprung in den Kantonsrat zu schaffen. Als sich bei einem Wahlpodium niemand aus der Partei hinter sie stellte, als ein Votant unter anderem ihre Kandidatur als Grund für den Niedergang der Partei bezeichnete, trat sie aus. «In der Partei sah ich damals keine Chance mehr für mich.» Die gelernte Krankenschwester setze sich für Gesundheitspolitik und Frauenfragen ein und präsidierte von 1999 bis 2017 die Schweizerische Stiftung SPO Patientenschutzorganisation. Politisch ging es für Margrit Kessler in der Folge mit der GLP erfolgreich weiter. Als sie 2011 von der noch jungen Kantonalpartei für eine Nationalratskandidatur angefragt wurde, sagte sie sofort zu. Mit 63 Jahren zog sie 2011 in den Nationalrat ein. «Eine Frauenquote hilft, bis es selbstverständlich ist, dass Frauen politisch partizipieren», sagt sie. Sie ist überzeugt: «Frauen müssen mehr leisten, um gehört zu werden.» Wäre sie jünger gewesen, hätte sie politisch weitergemacht, nachdem sie 2015 ihren Sitz im Nationalrat verloren hatte; obwohl sie mehr Stimmen gewonnen hatte als bei der Wahl vier Jahre zuvor. Die nach eigener Einschätzung «typische Exekutivlerin» Christa Köppel erachtet «die Forderung nach Chancengleichheit und den Einsatz für die Belange der Frauen als nach wie vor wichtig und gewinnbringend». Frauenlisten hätten den Frauenanteil in den Legislativen zwar erhöht, für Exekutivämter oder die Wirtschaft seien sie hingegen «kein Rezept». Und sie ergänzt: «Frauenquoten (beispielsweise im Kantonsrat) sind kein Instrument für politische Mandate, die durch demokratische Wahlen besetzt werden.» Anders als Margrit Kessler, die erst spät in die Politik fand, ist Laura Bucher mit 36 Jahren bereits Regierungsrätin in St. Gallen und steht dem Departement des Innern vor. Sie war 18 Jahre alt, als sie in die SP eintrat. «Die Haltung der SP zu Gleichstellungsfragen war ein Grund unter vielen», sagt sie. Zweimal, 2004 und 2008, gelang es ihr nicht, einen Kantonsratssitz zu gewinnen, bevor sie 2010 in den Rat nachrücken konnte. Als Niederlage möchte die promovierte Juristin das Erlebte nicht verstanden wissen. Sie habe zu Beginn ihres politischen Engagements in den Wahlkämpfen wertvolle Erfahrungen sammeln können. Damit Frauen nicht nur in der Politik aktiv sind, sondern tatsächlich auch in politische Ämter gewählt werden, brauche es nach Meinung Buchers «eine konsequente Förderung und Begleitung von engagierten und fähigen Frauen, unter anderem mit guten Listenplätzen und auch mit Frauenlisten oder gar Frauenquoten».

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