18.02.2022

Erst 30 und schon Cheftrainer

Der SC Brühl steht in der Rückrunde als Tabellenletzter unter Druck. Das ist sein Trainer: Denis Sonderegger aus Widnau.

Von Renato Schatz
aktualisiert am 02.11.2022
Alain Geiger, Trainer von Servette, sprach im «Sonntagsblick» einmal über das Trainerdasein. «Man sagt, ein Trainer werde erst mit 50 richtig gut, mit der Reife», philosophierte der inzwischen 61-jährige Romand.Denis Sonderegger fehlen demnach noch 20 Jahre, bis er ein guter Trainer wird. Denn Sonderegger, seit vergangenem Sommer Trainer im SC Brühl, ist erst 30. Er sagt: «Am Schluss zählt die Leistung auf dem Platz, das Resultat, unabhängig vom Alter.» Lange Zeit stimmten die Resultate von Sonderegger. Mit dem österreichischen Klub FC Brauerei Egg stieg er in der vergangenen Saison in die dritthöchste Spielklasse auf. Ein Freund vermittelte ihn 2017 dorthin. Cheftrainer mit 27. Davor: Trainer im Nachwuchs des FC St. Gallen, dasselbe in Wil und Winterthur, dazwischen auch Gegneranalyst im FC Sion. Weil Maurizio Jacobacci, den er aus gemeinsamen Wiler Zeiten kannte, im Wallis wirken durfte. «Ich glaube nicht, dass mich Christian Constantin noch kennt», sagt Sonderegger und lacht. Nach drei Monaten wurde Jacobacci vom Sittener Präsidenten beurlaubt. In Sion braucht es nicht einmal Misserfolg, um entlassen zu werden.Im Krontal, wo Sonderegger nun ist, ist es umgekehrt. Der SCB hat die Hinrunde auf dem letzten Rang abgeschlossen, aber der Trainer darf bleiben. Die Klubführung hat andere Gründe für den Absturz in der Tabelle ausgemacht. Und deshalb reagiert: mit der Verpflichtung von Innenverteidiger André Neitzke, 35, sowie Rafhinha, 29. Sonderegger: «Wir hatten eine junge Mannschaft – eine zu junge.» Und sonst? Sonderegger benutzt diese vermeintlich leeren Trainerfloskeln, sagt: «Wir haben sie häufig vorne nicht gemacht, dafür aber hinten bekommen.» Oder: «Wenn es läuft, dann läuft es.» Nur nimmt man Sonderegger diese Worte ab. Er sagt: «Ich musste in der Hinrunde wirklich lernen, dass diese Sätze wahr sind.»Schwarmintelligenz beim Champions-League-AbendJa, er lernt noch, erfährt. Am eigenen Leib und von anderen auch. Vor allem von seinen Freunden. Sonderegger: «Sie kommen alle aus dem Fussball.» Roman Ellensohn etwa, Trainer von Schwarz-Weiss Bregenz, dritthöchste Spielklasse in Österreich. Oder Alexandre Dorta, einst für den SCR Altach in der österreichischen Bundesliga aktiv. Sie treffen sich, an Champions-League-Abenden zum Beispiel, und tauschen sich aus. Einer erzählt von Übungen im Training, ein anderer von Diskussionen mit Spielern. Sie machen auch Sprüche, fordern sich heraus. Und doch sind sie ehrlich zueinander: «Wenn ein Freund ein Spiel von uns schaut und etwas sieht, das nicht gut ist, etwas Taktisches vielleicht, sagt er mir das sofort.» Dabei gibt es viele Freundschaften, die anders funktionieren, bei denen man einander sagt, wie toll man ist. Und das andere unausgesprochen lässt. Sonderegger hat auch Freunde, die Spielerberater oder Teambetreuer sind. Alle im Fussball, alle mit einer anderen Perspektive. Es kommt viel Wissen zusammen, wenn sich die Freunde unterhalten. Schwarmintelligenz sozusagen. In Sondereggers Freundeskreis vermischt sich die kumpelhafte Stichelei mit dem konstruktiven Feedback, der Spass mit dem Ernst. Das Hobby mit dem Beruf.Das Hobby zum Beruf machen, noch so eine Floskel. Und wieder die Wahrheit. All das begann in Widnau, wo die ganze Familie den dortigen Fussballklub prägte und noch immer prägt. Die Schwester war Trainerin, die Mutter auch, inzwischen steht sie der Frauenabteilung vor. Der Vater war ebenfalls Trainer und ist Ehrenmitglied. Der Bruder spielt noch. Er, Denis: wohnhaft noch immer in Widnau, ledig, verheiratet, aber wahrscheinlich mit dem Fussball. Nur einmal machte Sonderegger beruflich etwas anderes: die kaufmännische Lehre bei einer Versicherung. Doch schon damals wusste Sonderegger, dass er Fussballtrainer werden will. Um ein guter zu sein, fehlen ihm ein paar Punkte, aber keine 20 Jahre mehr. Mit Punkten geht es am Samstagabend wieder los, wenn die Rückrunde in der Promotion League startet. Um 18 Uhr bei YF Juventus.

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