05.06.2020

«Ernüchternde Bilanz» in Balgach

Ein überparteiliches Komitee unterstützt Reto Schmidheiny als Gegenkandidat der Balgacher Gemeindepräsidentin Silvia Troxler.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Am Freitagvormittag hat das überparteiliche Komitee den Medien den Kandidaten vorgestellt und dargelegt, weshalb es sich eine neue politische Führung für Balgach wünscht. Wahlstabsmitglied Andreas Frank sagte: «Wir sind zur Erkenntnis gelangt, dass in unserer Gemeinde Defizite bestehen, und teilen die Unzufriedenheit vieler Bürgerinnen und Bürger mit der Entwicklung, Führung und Kommunikation» in der Gemeinde Balgach.«Keine offene Gesprächskultur»Was Führungsstil und Informationspolitik betrifft, teilt das Komitee die Meinung des örtlichen Gewerbeverbandes und verschiedener einheimischer Exponenten, die sich in der jüngsten Zeit enttäuscht geäussert haben. SVP-Ortsparteipräsident Dirk Marti bezeichnete die Kommunikation der Gemeindeführung als sehr zögerlich, FDP-Interimspräsident Märk Nüesch fügte hinzu, Anliegen und Vorschläge initiativer Bürgerinnen und Bürger würden von der Gemeindepräsidentin immer wieder schroff abgeblockt, was nicht von einer offenen Gesprächskultur zeuge.Ein Kernproblem beschrieb Andreas Frank mit dem Satz, Gemeindepräsidentin Silvia Troxler wolle «nicht über etwas informieren, was nicht hieb- und stichfest ist» – mit der Konsequenz, dass der Einbezug der Öffentlichkeit bei der Erarbeitung von Projekten weitgehend ausbleibe.«Gemeinde ist zusehends isoliert»Silvia Troxler werden der tiefe Steuerfuss, die Hallenbad-Erneuerung, die Bestrebungen als Energiestadt und die Betreuungsangebote für Kinder und Jugendliche zugutegehalten. Die Präsidentin habe sich zudem generell für Balgach eingesetzt und viel gearbeitet. Die Gesamtbilanz falle aber ernüchternd aus, zumal viel verwaltet, aber wenig gestaltet werde. Balgach habe es trotz ausgezeichneter finanzieller Lage, einer leistungsfähigen Wirtschaft und seiner attraktiven Wohnlage nicht geschafft, sich erwartungsgemäss weiterzuentwickeln. In der Region habe das Balgacher Image gelitten, die Gemeinde stehe zunehmend isoliert da.«Wer daran zweifelt, muss nur auf unsere Nachbargemeinden blicken, um festzustellen, dass sich diese in den letzten Jahren sehr erfolgreich entwickelt haben», sagte Andreas Frank. Als Beispiele wurden eine ganze Reihe von Versäumnissen aufgezählt. Die wegen ihrer Schwangerschaft kurzfristig verhinderte, parteilose Jungunternehmerin Martina Jenny, die Schmidheinys Wahlstab angehört, verweist in einem Text zum Thema auf ein in Balgach nicht vorgesehenes Glasfasernetz und auf kulturellen Nachholbedarf, Dirk Marti erwähnte den Hochwasserschutz, der schon vor vier Jahren als vorrangig bezeichnet wurde – doch bis heute sei «kein Fortschritt» feststellbar.Märk Nüesch kritisierte die «nur zögerlich» in Angriff genommene Umsetzung des Altersleitbildes; zugunsten altersgerechten Wohnens habe sich nichts getan. Wer heute in Balgach auf ein solches Angebot angewiesen sei, müsse sich in Balgachs Nachbarschaft umsehen, wo in den letzten Jahren viele gute Projekte verwirklicht worden seien oder vor dem Abschluss stünden.Auch der Verkehr wird als vernachlässigtes Thema erwähnt. Bis heute seien «keine Ansätze für eine Lösung des belastenden Individualverkehrs erkennbar», meinte Märk Nüesch. Der Einbezug der Bevölkerung habe ansatzweise stattgefunden, werde aber durch die politische Führung nicht konsequent und zeitnah fortgeführt. Ein Gesamtkonzept sei inexistent, eine regelmässige Information über den Stand der Arbeiten sei ausgeblieben. Balgach laufe Gefahr, im Projekt «Regionale Netzstrategie» wenig Einfluss zu haben. Eine passive Haltung werde eine regionale Lösung um weitere Jahre verzögern.Mit Verweis auf das Gemeindeleitbild meinte Andreas Frank, kein einziges der enthaltenen Schlüsselthemen habe in den acht Jahren seit Silvia Troxlers Amtsantritt zu einem Ergebnis geführt.Bemängelt wird vom überparteilichen Komitee auch die Abseitsstellung Balgachs bei regionalen Projekten. Seit dem Rücktritt Silvia Troxlers als Leiterin der Fachgruppe Standortmarketing im Verein St. Galler Rheintal sei Balgach in keiner für die regionale Entwicklung bedeutsamen Organisation mehr federführend aktiv. «Balgach – einst als offene, kooperative Gemeinde bekannt – verliert zusehends an Reputation, isoliert sich in wichtigen regionalen Bestrebungen und kann so die Interessen der Balgacher Bevölkerung in der Region nur mangelhaft vertreten», lautet das Fazit.FDP hat Schmidheiny bereits nominiertStatt die Faust im Sack zu machen, schlägt das überparteiliche Komitee den amtierenden Gemeinderat Reto Schmidheiny als neuen Gemeindepräsidenten vor. Die Zeit sei reif für einen Wechsel – und dieser wird Schmidheiny zugetraut. Die Mitglieder der FDP haben diese Woche die Gegenkandidatur im Kampf ums Gemeindepräsidium bei hoher Beteiligung bereits gutgeheissen und Reto Schmidheiny einstimmig nominiert.Andreas Frank bezeichnete Reto Schmidheinys Kandidatur als Glücksfall und bescheinigte der «kommunikativen und bürgernahen» Persönlichkeit besondere Netzwerker-Fähigkeiten. Hinter Information setzt Schmidheiny ein AusrufezeichenDer im Dorf verwurzelte Reto Schmidheiny kandidiert unter dem Motto «Gestalten statt verwalten» fürs Balgacher Gemeindepräsidium. Seit 2017 gehört der 55-Jährige dem Gemeinderat an. Er lebt seit fast einem Vierteljahrhundert in Balgach, ist verheiratet und hat vier Kinder im Alter von 7 bis 15 Jahren. Schmidheinys Verankerung im Dorf gründet auf einer ganzen Reihe von Ämtern, die er schon ausübte. Bis 2015 gehörte er während acht Jahren der Geschäftsprüfungskommission der Oberstufe Mittelrheintal an, seit 2013 betätigt er sich sowohl in der GPK der Evangelischen Kirchgemeinde Balgach als auch des einheimischen Suuserfests. In der FDP-Ortspartei wirkt Reto Schmidheiny ebenso als Vorstandsmitglied und Kassier wie in der Männerriege des STV.Seit 2010 ist Reto Schmidheiny CFO der Cilander Gruppe, davor arbeitete er während 14 Jahren in vergleichbar leitender Funktion für die Model Gruppe. Sein beruflicher Erfahrungshintergrund ist entsprechend breit; er reicht von Finanzen über Personal, Logistik, Informatik und Planung bis hin zu Marketing und Verkauf. In jungen Jahren besuchte Schmidheiny, der im Raum St. Gallen aufwuchs, die Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, wobei Organisation sein Vertiefungsgebiet war (lic. oec. HSG).Besondere Anliegen sind Reto Schmidheiny Arbeitsplätze und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Sehr wichtig ist ihm ausserdem die regionale Zusammenarbeit – sei es mit Bezug auf den Verkehr, diverse Zweckverbände oder den Hochwasserschutz; aber auch für soziale, ökologische und kulturelle Themen möchte der Präsidentschaftskandidat sich einsetzen.Mit Blick auf Balgach sieht Reto Schmidheiny das voranzutreibende Altersprojekt als wichti­ge Aufgabe. Der Hochwasserschutz, der Ausbau der Infrastruktur, die Raumplanung und ausgewogene Verkehrslösungen sind für ihn weitere vorrangige Themen. Hinter den Begriff «Information» setzt Schmidheiny ebenso eines seiner sparsam verwendeten Ausrufezeichen wie hinter das Wort «Mitwirkung». Er sagt: Je früher bei der Erarbeitung eines Projekts informiert werde, desto besser, denn die Bürgerschaft solle die Möglichkeit haben, Einfluss zu nehmen.

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