Der Captain kann melken und Traktorfahren, arbeitet mit Diamantschneider und Wasserwaage, kann dribbeln und schiessen. Sein Name: Erika Gschwend. Sie ist Mittelfeldspielerin. Ihre erste Stärke ist das Zuspiel. In diesem letzten Match setzt sie die Stürmerinnen mit genauen, weiten Pässen ein. Als nach einer Viertelstunde ein Foul zu einem Penalty führt, übernimmt sie die Verantwortung. Da spürt man ihre zweite Stärke: Die Ruhe.
Wie sie sich zuerst um ihre verletzte Kollegin sorgt, nachher den Ball setzt, Anlauf nimmt und mit dem rechten Fuss in die linke Ecke schiesst – alles konzentriert, überlegt, ruhig. Diese Ruhe prägt ihren Spielstil. Sie ist da, wo sie gebraucht wird, fleissig und mannschaftsdienlich. Aber sie dirigiert nicht, sie organisiert nicht, sie schreit nicht.
«Es ist eine Ehre, Captain zu sein», sagt sie, «und ich will ein Vorbild sein.» Dabei ist sie nur Ersatz-Captain.
Meine jüngere Schwester Isabel hat eigentlich dieses Amt, aber sie ist schon seit längerer Zeit verletzt.
Dies führt uns zur Familie, also zum Traktor.
Erika Gschwend hat immer gern geholfen
Erika, 1989 geboren, ist in einer Bauernfamilie aufgewachsen, in Hub, zwischen Oberriet, Eichberg und Kobelwald. Sie ist die Älteste, dann folgt Isabel. Der ältere Bruder, Rolf, ist Spengler geworden, und Roger, der jüngere, hat mittlerweile den Hof der Familie übernommen. Die Kinder helfen auf dem Hof mit, sie können gut Hand anlegen. Erika erinnert sich: «Wir alle haben gern mitgearbeitet.»
Nach den Schulen in Hub-Hard und Oberriet macht sie bei Loher in Montlingen die Lehre als Plattenlegerin, lernt also, mit Diamantschneider und Wasserwaage umzugehen. Heute arbeitet sie auf Baustellen und verlegt keramische Beläge oder Natursteine. Das schon seit 15 Jahren, stets in der gleichen Firma. «Die Arbeit gefällt mir.» Sie strahlt – und ergänzt: «Beruf und Fussball passen gut zusammen.»
Start mit 14 Jahren in der Nationalliga B
Die Mädchen spielen gern Fussball. Das beginnt auf dem Schulhausplatz in Hard. Erika ist zehnjährig, als die «richtige» Fussballzeit beginnt. Die Mutter fährt die talentierten Mädchen zu Training und Spiel nach Widnau. Erika ist Stürmerin und spielt mit 14 Jahren bereits in der ersten Mannschaft in der Nationalliga B.
Ich war zu jung, aber der Verein bekam eine Sonderbewilligung, und so spielte ich damals zwei Spiele in der zweithöchsten Liga. Einmal in Kirchberg, dann in Genf. Wir sind dann abgestiegen, haben uns nachher aber lange in der 1. Liga gehalten.
Fast 25 Jahre spielt sie schon Fussball, immer bei Widnau.
Ich liebe den Fussball, bin gern in diesem Team. Es ist schön, nach dem Spiel ein Bier zu trinken, mit anderen zusammenzusein.
Zu den anderen gehört auch der Trainer. Pascal Roth trainiert die Widnauer Frauen seit sechs Jahren. «Er ist ein feinfühliger Mensch, geht auf seine Spielerinnen ein und ist fussballerisch kompetent. Ein Supertrainer», sagt der Captain. Wenn der Trainer über seinen Captain spricht, tönt es ähnlich.
Das beste Team der Liga ist auch das fairste
Pascal Roth, an der Seitenlinie vorbildlich, hat entscheidenden Anteil am Aufstieg, aber auch an einem anderen Spitzenrang. Mit nur drei Strafpunkten liegen die Widnauerinnen zusammen mit Frauenfeld in der Fairnessrangliste auf Platz eins. Erfolgreich und fair. Ob es so weiter geht? «Wir wollen in der 1. Liga unsere Struktur und unseren Teamgeist behalten», sagt der Trainer, «und wir freuen uns auf neue Gegner.»
Auch der Präsident der Widnauer Frauen, Markus Heule, freut sich über den Aufstieg: «Das Team hat ihn verdient. Wir haben über hundert Spielerinnen in sieben Teams und sind so regional die Nummer eins.» Dann schmunzelt er:
Unsere Frauen spielen jetzt eine Liga höher als die Männer.
Der Tag klingt aus. Das schöne Gespräch mit einer aufmerksamen, mitteilsamen Person ist fast vorbei. Das sind ihre letzten Sätze: «Ich bin jetzt in Diepoldsau daheim. Dort wohne ich zusammen mit meiner Partnerin Anschii. Sie ist auch sportlich. Sie kommt oft an meine Spiele, unterstützt mich. Gelegentlich segeln wir auf dem Bodensee, im Winter fahren wir Ski. Ich bin glücklich.»
Frauen, 2. Liga, Gruppe 1
Ems – Frauenfeld 2:2, Au-Berneck – Uzwil 2:2, Weinfelden – Toggenburg 2:7, Ebnat-Kappel 3:3, Widnau – Rappi-Jona II 2:2.
Schlussrangliste (alle 20 Spiele): 1. Widnau 46, 2. Toggenburg 45, 3. Uzwil 30, 4. Triesen 30, 5. Romanshorn 29, 6. Frauenfeld 27, 7. Rappi-Jona II 27, 8. Ebnat-Kappel 23, 9. Au-Berneck 22, 10. Ems 16, 11. Weinfelden 11.