17.01.2022

Erfolgreicher Rheinecker Konstrukteur Louis Christen wird 75

Mit Chassis von Louis Christen haben weltweit Rennfahrer Erfolge gefeiert. Nun übersiedelt seine Firma schrittweise nach England.

Von Elio Crestani
aktualisiert am 02.11.2022
Heute Mittwoch, 18. Januar, feiert Louis Christen seinen 75. Geburtstag. Seit über 40 Jahren sind Chassis-Konstruktionen mit den Buchstaben LCR erfolgreich im Motorsport dabei. LCR steht für Louis Christen Racing – und seit 1979 dominieren LCR-Seitenwagen die Seitenwagen-Weltmeisterschaft. Mit ihnen wurden unzählige Welt-, Europa- und nationale Titel errungen. Der siebenfache Seitenwagen-Weltmeister Rolf Biland sagte: «Gewann einmal nicht ein LCR-Chassis die WM, war es eine Kopie davon.»[caption_left: Mister Sidecar Rolf Biland, der erfolgreichste Seitenwagen Rennfahrer aller Zeiten, auf LCR Swissauto mit Beifahrer Kurt Waltisperg.]Zum LCR-Erfolgsportfolio gehören auch zwei Weltmeistertitel in der 80ccm-Klasse sowie einige Siege und Doppelsiege in der 80- und 125-ccm-Weltmeisterschaft. Bekannte Rennfahrer waren etwa Gustl Auinger, Bruno Kneubühler, Paolo Casoli, Domenico Brigaglia, Peter Öttl oder Herri Torrontegui. Das italienische MBA-Werksteam Morbidelli-Benelli-Armi, wurde mit LCR-Chassis ausgerüstet.[caption_left: Von links: Elio Crestani, Louis Christen, der siebenfache Weltmeister Rolf Biland, der ehemalige Schweizer Präsident der FIM (Fédération Internationale de Motocyclisme) Luigi Brenni und der sechsfache Seitenwagen-Weltmeister Kurt Waltisperg.]LCR-Engeneering ist in der Grand-Prix-Geschichte einziger Konstrukteur, der Solo- und Seitenwagen-Weltmeisterschaften gewann. Mehrfach erzielten LCR-Piloten in den Klassen Seitenwagen, 80 und 125 ccm mehr Punkte als die Fahrer renommierter Marken wie Yamaha oder Honda. Auch Ex-Honda-Rennleiter Osamu Goto ist angetan von Christens Produkten.Karrierebeginn mit dem späteren AusbruchkönigIn den letzten Jahren hat Louis Christen seine Marke infolge Pensionierung dem englischen Seitenwagen-Team der Gebrüder Ben und Tom Birchall übergeben. Eingefleischte Schweizer Fans sagten Christen, es sei schade, gehe ein solches Kulturgut hier in der Schweiz verloren. Christen antwortete trocken: «Das ist so im Leben. Wir fahren keine Dampfloks mehr. Die Firma Saurer gibt es auch nicht mehr. Zudem ist der Standort Schweiz zu teuer für die Produktion von Seitenwagen-Chassis.» Die Gebrüder Birchall erledigen nun bereits Schweissarbeiten und mehr in England – so geht schrittweise die ganze LCR-Engeneering auf die Insel.Eigentlich wollte Louis Christen Pilot werden. Im Töfflibub-Alter entdeckte er in Rorschach aber auf einem Anhänger einen Formel-1-Wagen. Er fuhr ihm nach, bis er den Besitzer traf. Es war Walter Stürm, von Stürm-Holzhandel in Rorschach, der später als Ausbrecherkönig Aufsehen erregte. Zuerst durfte Christen den Rennwagen putzen. Später schmiedete er mit Stürm Pläne für einen Rennwagen. Der grosse Mode-Mann Charles Vögele fuhr damals einen fast unschlagbaren Lotus. Peter Shetty, Basler Unternehmer und späterer Ferrari-Formel-1-Rennleiter, einen fast unschlagbaren Ferrari. Auch Stürm wollte ein schlagkräftiges Auto, und Christen sollte bei der Konstruktion mitwirken.So begann die Konstrukteurskarriere von Louis Christen. Er sagt: «Ohne Walter Stürm hätte es wohl keine LCR-Rennwagen und LCR-Seitenwagen gegeben.» Seine Chassis fanden später den Weg in die Formel V, die Formel Super-V und die Formel Ford. Viele Fahrer feierten damit Erfolge. Louis Christen war auch selber aktiv: 1974 gewann er in der Formel V vor dem späteren Formel-1-Weltmeister Keke Rosberg am Norisring. Rosbergs Sohn Nico wurde 2016 auch Formel-1-Weltmeister.[caption_left: Das war eine Sensation: 1974 gewann Louis Christen in seinem LCR-Eigenbau das Formel-Super-V-Rennen auf dem Norisring. Er bezwang Seriensieger Keke Rosberg.]Christen gelang im Wagenbau eine RevolutionLouis Christen machte eine Lehre als Konstrukteur bei Saurer in Arbon. Mit Seitenwagen brachte ihn ein Arbeitskollege in Verbindung. Das Seitenwagen-Duo Bruno Holzer und Charly Meierhans, Schweizer Meister 1975, brauchte für die WM ein neues Gespann. Man einigte sich – und Christen baute das erste Monocoque-Renngespann der Geschichte. Der Röhren-Rahmenbau mit abgeänderten Motorradrahmen hatte ausgedient. Christen gelang eine Revolution – und Holzer/Meierhans wurden 1979 Weltmeister.Auch die erfolgreichen Fahrer Rolf Biland, Egbert Streuer, Steve Webster arbeiteten mit Christen zusammen. Der Rheinecker ist bis heute erfolgreich: Er beliefert auch die aktuellen Schweizer Seitenwagen-Weltmeister Markus Schlosser und Marcel Fries. Weltweit hat kein anderer Konstrukteur eine Serie im Motorsport fast vier Jahrzehnte dominiert. Eine derartige Erfolgsbilanz in einer Klasse hat nicht einmal Honda, der grösste Motorrad-Konstrukteur.[caption_left: Louis Christen zeigt sein erstes LCR-Formel-V-Rennauto aus der Saison 1972.]Der Pensionär Louis Christen ist auch im Ruhestand aktiv, restauriert er doch gern seine Fahrzeuge. Ab November gibt es in der Autobau-Erlebniswelt in Romanshorn eine Sondershow mit einem Querschnitt von al-len LCR Engineering gebauten Fahrzeugen. Christen selbst hat einen Geburtstagswunsch: «Erlaubt es Corona, möchte ich am 20. und 21. August am Bergsprint Walzenhausen-Lachen, hoch über dem Rheintal, teilnehmen.»

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