11.03.2022

Er sucht eine Bleibe für Geflüchtete: «Ich bin von 6 bis 22 Uhr im Einsatz»

Martin Tschirren setzt sich seit zehn Tagen für die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine ein.

Von Andrea C. Plüss
aktualisiert am 02.11.2022
Gemeinsam mit seiner Partnerin Sabrina Lüchinger beherbergte Martin Tschirren allein am vergangenen Wochenende drei Familien aus der Ukraine bei sich zu Hause in Montlingen. Die Geflüchteten blieben meist nur eine Nacht. «Eine Frau kam aus Charkiw», sagt Martin Tschirren. Sie habe nur geweint, als sie die Bilder der Zerstörung ihrer Heimatstadt sah.Das Paar aus Montlingen hatte vor zehn Tagen die Website www.shelter-ukr.ch aufgeschaltet mit dem Ziel, private Unterkünfte für Menschen aus der Ukraine zu finden. «Wir wollten mit der Initiative helfen, bis der Bund die nötigen Vorkehrungen zur Unterbringung getroffen hat», sagt Tschirren.Enge Zusammenarbeit mit dem BundesasylzentrumSeit Anfang Woche ist das Bundesasylzentrum in Altstätten voll belegt. Befanden sich dort Ende Februar 165 Asylsuchende, sind es mittlerweile 250 Personen. «Ein Teil der Geflüchteten meldet sich direkt beim Bundesasylzentrum in Altstätten, ein anderer Teil wird dorthin transferiert», teilt Lukas Rieder, Pressesprecher des Staatssekretariats für Migration (SEM) auf Anfrage mit. Jedes Angebot aus der Bevölkerung für private Unterkünfte sei hilfreich, lässt Rieder wissen. Auf die Website des Montlinger Paares war das SEM bereits Anfang Woche aufmerksam geworden und arbeitet seitdem mit Tschirren und Lüchinger zusammen.«Ich bin von 6 Uhr morgens bis 22 Uhr beschäftigt», sagt Martin Tschirren. Er habe glücklicherweise kurzfristig zwei Wochen Urlaub genehmigt bekommen, anders wäre die Betreuung mit allen damit zusammenhängenden Fragen, Fahrten und Telefonaten gar nicht möglich, gibt er an. Dem Paar sei es wichtig, dass es passt zwischen den geflüchteten Personen und denen, die ihnen eine private Unterkunft anbieten. Sei es vom Alter her oder von der Familiensituation. «Wenn Kinder in eine Familie mit Kindern kommen, ist es einfach besser für das Miteinander», ist Tschirren überzeugt. Er erwähnt ein anderes gelungenes Beispiel: Ein pensioniertes Geschwisterpaar aus der Ukraine, sie Dozentin, er Pfarrer im Ruhestand, konnte er zu einem älteren Ehepaar nach Buchs bringen, das sich auf der Website registriert hatte. Der gastgebende Mann sei reformierter Pfarrer im Ruhestand, erzählt Martin Tschirren. Ein Glücksfall, der ihn immer noch freut. Aktuell kann das Paar aus Montlingen auf 295 Unterkunftsplätze zugreifen, um Geflüchtete unterzubringen. Ein Drittel der Menschen, um die sich die Montlinger kümmern, holt Martin Tschirren direkt im Bundesasylzentrum in Altstätten ab, nachdem das SEM ihn kontaktiert hat. Zwei Drittel kommen inzwischen von ukrainischen Familien aus der Region, die seit Kriegsbeginn Verwandte oder Freunde aus der Ukraine aufnahmen, dauerhaft aber nicht über genügend Platz verfügen.Am Donnerstagnachmittag warteten Lilia, Alona und Iwan in Montlingen, wo sie die Nacht auf Donnerstag verbracht haben, auf ihre neue Gastfamilie. Sie werden zu einer Familie nach Küblis ziehen. Die 50-jährige Lilia floh zusammen mit Tochter Alona (30) und dem neunjährigen Enkel Iwan letzte Woche aus Kriwoy Rog, einer Grossstadt nordöstlich von Odessa, nach Moldawien. Anfangs hofften sie noch auf eine rasche Rückkehr, aber die Hoffnung starb. Nach vier Tagen erreichten sie die Schweiz und schliesslich das Bundesasylzentrum in Altstätten. Dort holte Martin Tschir-ren sie ab. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe ist mittlerweile in den Bundesasylzentren der Schweiz präsent und vermittelt Ukrainerinnen und Ukrainern im Auftrag des SEM Unterkunftsplätze. Tschirrens Ziel ist es, das private Hilfsprojekt mit allen Kontakten bald den Profis übergeben zu können. Mit einer Vollzeit-Berufstätigkeit – Tschirren ist Grenzschutzbeamter – sei die Betreuung schlicht nicht vereinbar. «Ich möchte irgendwann auch wieder einmal abschalten können», sagt er.

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