23.03.2020

Er sucht die Nadel im Heuhaufen

Christopher Schulz hatte im Kunstmuseum die Finissage geplant, nun findet die letzte Ausstellung virtuell statt.

Von ys
aktualisiert am 03.11.2022
Mit dem Label Kunstmuseum Rheintal möchte Christopher Schulz, der lange in den USA lebte, vergessene regionale Künstler ins Bewusstsein bringen. An der Sonnenbergstrasse 206 in Heerbrugg fällt nun aber der Vorhang, die letzte Ausstellung widmet sich einem «verkannten Genie» aus dem Toggenburg und sechs ebenso verstorbenen Rheintaler Land­schaftsmalern.So war’s geplant, die letzte Ausstellung findet wegen der Coronakrise nun aber im Internet statt. «Ich musste die Pläne erst letzten Montag ändern», sagt Schulz. Nun werden die Kunstwerke professionell fotografiert, für den Internetauf­tritt müssen zudem Wasserzeichen eingearbeitet werden. «Das dauert seine Zeit», sagt Schulz. Das Museum wird deshalb erst nach und nach zugänglich – vorerst mit einem Youtube-Filmchen, später auf einem eigenem Facebook-Kanal.Toggenburger Künstler in Brockenstube entdeckt «Die Coronakrise beschleunigt die Dominanz des Digitalen», ist Schulz überzeugt. Die Kunst- und Kulturwelt hat sich schnell angepasst. Grosse Häuser bieten Opern und Ausstellungen digital an. Das Kunstmuseum Rheintal braucht dafür etwas länger, es führt auch nicht Werke von Picasso oder Rembrandt. Sondern, in dieser Ausstellung, hauptsächlich von Urban Zacharias Wick, einem von 1907 bis 1984 lebenden Künstler, der aus Nesslau im Toggenburg stammt und später nach Biberist SO gezogen ist.Schulz stöberte einen Teil des Nachlasses in einer Brockenstube in Buchs auf: «Die Nadel im Heuhaufen, eine wunderbare Entdeckung!» Der Kunstvermittler sucht nach solchen Künstlern, «zu Unrecht Vergessenen». Urban Zacharias Wick malte vorwiegend Por­träts. Sparsam in der Farbe auf für Wicks Lebensverhältnisse erstaunlich hochwertiger Leinwand, sehr eindringlich.Virtuose aus Altstätten auf Leinwand gebannt Darunter auch den Pianisten Paul Baumgartner (1903 – 1976). Geboren in Altstätten, unterrichtete Baumgartner ab 1937 am Konservatorium Basel. Im Jahr 1962 bekam Baumgart­ner den Kulturpreis der Stadt St. Gallen. «Ein Virtuose, der im Rheintal nicht genügend Anerkennung findet», sagt Kunstvermittler Schulz.Nicht Virtuosen des Pinsels, aber zumindest beachtliche Maler seien Carl Ernst Graf, Eugen Menzi, Hans Ripper, Josef Benz, Arthur Benz, Pius Eugster. Sie präsentieren Landschaften, nur selten sind Häuser abgebildet. Ihr Nachlass ist auch wie die Nadel im Heuhaufen. «Bilder dieser Künstler hängen bestimmt in vielen Rheintaler Häusern oder lagern in Kellern», sagt Schulz. Er selbst habe erstaunliche Entdeckungen gemacht als er von der Stadt Rheineck für eine frühere Ausstellung Zugang zu den Werken Heinrich Herzigs bekommen habe.Der Hobby-Kunsthistoriker Schulz befasst sich auch mit den Biografien der Künstler, die er ausstellt. Die Quellen liegen selten offen. Über Künstler Wick stöberte Schulz ein Porträt auf, das der bekannte Komponist Richard Flury (1896 – 1967) geschrieben hatte. Beide wohnten in Biberist. «Aber sie lebten in völlig verschiedenen Welten», sagt Schulz.Hier der berühmte Komponist, dort der kommerziell erfolglose Maler, der die vier Kinder nur dank des Broterwerbs seiner Frau in einer Fabrik ernähren konnte. Die Welt der Wohlhabenden taucht hie und da auf in seinen Werken, so etwa bei Pianist Paul Baumgartner. Aber insgesamt dominiert das Ärmliche, der hungrige Blick in Urban Zacharias Wicks Porträts.Ein Künstler, der nie Anerkennung fand. Er ist gestorben, bevor das Internet bekannt wurde, nun kann er dort neu entdeckt werden.Youtube-Film

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.