20.03.2019

Er macht das Wetter fürs Rheintal

Was aus Langeweile begann, ist heute August Künzlers grosse Leidenschaft: Seit 50 Jahren studiert der 69-jährige Oberrieter das Wetter und trägt akribisch Daten zusammen, um täglich seine Prognose abzugeben.

Es schüttete wie aus Eimern, als Albert Künzler an einem Sonntag im Jahr 1967 eben dieses Hudelwetter zu studieren begann. Der damals 18-jährige Oberrieter fing an, Wetterkarten aus einer Zeitschrift nachzuzeichnen. Während der Regen draussen nachgelassen hatte, liess Künzlers Faszination fürs Wetter nicht nach. Er kaufte Bücher und besorgte sich Schulungsmaterial zur Meteorologie.Der heute 69-Jährige betrieb sogar eine Zeit lang eine Messstation in Oberriet und erhob seine eigenen Wetterdaten. Diese hielt er akribisch auf kariertem Papier fest. Über die Jahre hat er mehrere Hefte gefüllt. Zusammen mit seinem Lernmaterial bewahrt Künzler sie in einem verschliessbaren Aktenkoffer sorgfältig auf. 1982 machte ein Föhnsturm seine Messstation dem Boden gleich. «Das ganze Equipment war zerstört.» Seither muss er sich mit einer Mini-Funk-Messstation auf seinem Schreibtisch begnügen, welche unter anderem Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit misst. «Es war nicht mehr das Gleiche, aber es ging. Eine neue Station wäre einfach zu ­teuer gewesen.»Landwirte verlassen sich auf den WetterfroschZu August Künzlers Glück hat die Digitalisierung seine Arbeit als Wetterfrosch vereinfacht. Seit zwei Jahren sammelt der Pensionär seine Wetterdaten im Internet zusammen. Stundenlang klickt er sich jeden Tag durch Wetter-Webseiten aus aller Welt, analysiert Grosswetterlagen sowie Satellitenbilder und tauscht sich mit anderen Meteorologen aus dem Rheintal und dem benachbarten Ausland aus – um schliesslich auf Facebook seine Prognose abzugeben. «Hier in der Region bin ich als ‹Rheintaler Wetterdienst› bekannt», erzählt Künzler. Seine Freunde und Bekannten würden seine Arbeit schätzen und sich regelmässig bei ihm nach den Wetteraussichten erkundigen.Auch befreundete Landwirte würden sich auf seine Prognosen verlassen, wenn es ums Säen oder Ernten gehe. Und immer wieder werde er zu dieser Jahreszeit gefragt, ob Topfpflanzen bereits wieder auf der Terrasse platziert werden könnten. «Damit würde ich noch warten», sagt der Wetterfrosch: «Es kann nämlich gut sein, dass nach dem ungewöhnlich warmen Februar der Frühling umso kälter und winterlicher wird.»Ein Koffer voller SchätzeTrotz aller Sorgfalt und langjähriger Erfahrungen seien seine Prognosen auch schon danebengegangen, gesteht Künzler. Mit dem föhnigen Rheintal hat sich der gebürtige Altstätter aber auch kein leichtes Pflaster ausgesucht. «Weil der Föhn plötzlich zusammenbrechen kann, sind treffsichere Wettervorhersagen für das Rheintal nur für wenige Stunden im Voraus möglich», erklärt der Hobbymeteorologe. Deshalb studiere er das Wetter zweimal täglich, um seine Prognose vom Vormittag abends aktualisieren zu können. Bei seinen Prognosen kann der ehemalige Pferdepfleger auch auf die Unterstützung eines bekannten Meteorologen zählen: «Wenn ich eine Frage habe, rufe ich Jürg Zogg vom SRF an», sagt Künzler.Auch wenn ihm heute das Internet bei seinen Vorhersagen für das Rheintal hilft, hortet Künzler seine Wetterdaten-Hefte wie einen Schatz. Es sind beinahe Zeugnisse aus einer Zeit, in der, wie Künzler sagt, «das Wetter noch nicht verrückt gespielt hat». Früher seien die Winter deutlich strenger gewesen, es gab mehr Schnee und längere Kälteperioden. «Aus meinen Aufzeichnungen ist ersichtlich, wie die Winter über die Jahre immer milder geworden sind», sagt Künzler und fährt mit dem Zeigefinger über die Spalte mit den Temperaturangaben. Dann klappt er das Heft zu und legt es behutsam zurück in seinen Koffer.Stephanie Martina

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