27.11.2020

Er fuhr der Weltelite davon

Wir gedenken: † Urs Sonderegger, gestorben am 6. November 2020, geboren am 18. Dezember 1942.

Von Elio Crestani
aktualisiert am 03.11.2022
Am 6. November ist Urs Sonderegger, der einzige Schweizer Motocross-Meister der Königsklasse aus Innerrhoden, gestorben. Geboren wurde er am 18. Dezember 1942 als zweitjüngstes von zehn Kindern einer Familie im Fallbach-Eugst an der St. Antonstrasse.Schon vor dem Erwerb des Führerscheines fuhr Urs Sonderegger Motocross im Steinbruch unterhalb des St. Anton. Bereits 1965 gewann er den Schweizer Meistertitel. Danach begann die Zeit der leichten Zweitakter. Auch Urs Sonderegger kaufte sich eine neue Husqvarna 360 und begann professionell zu trainieren, was damals nicht üblich war. In den Handgelenken entwickelte er dadurch eine ungeheure Kraft. Motocross war seine Berufung. «Tannzapfe Guscht», so wurde Urs Sonderegger genannt, konnte sich die Strecke und die Schlaglöcher merken. Dazu hatte er die besondere Eigenschaft, die verschiedenen Linien in den Fahrrinnen zu lesen.Seinen Lebensunterhalt verdiente sich Urs Sonderegger zu dieser Zeit als Lastwagenchauffeur bei der Brauerei Locher in Oberegg.Mit der Husqvarna begannen die Duelle mit dem mehrfachen Schweizer Meister Walter Kalberer. Urs Sonderegger war damals der einzige Fahrer, der Kalberer schlagen konnte. «Um Kalberer zu schlagen, musst du nicht nur schneller sein, die Taktik in den zwei Rennläufen muss auch aufgehen», sagte er.Nach mehreren Siegen und guten Resultaten bekam er von einem Freund den Tipp, «wenn du richtig schneller werden willst, musst du internationale Rennen bestreiten».Von da an setzte er auf internationale Rennen. Während des Sommers fanden in Holland und Belgien wochenlange Rennserien statt. Durch seine aggressive Fahrweise und guten Resultate ist Urs Sonderegger dem schwedischen Husqvarna-Motorradwerk aufgefallen. Vor dem Training zum dritten und letzten Rennen wurde seine Husqvarna von den Werksmechanikern in alle Einzelteile zerlegt und neu aufgebaut.Nach dem Start fuhr Urs Sonderegger allen davon. Sekunden dahinter folgte die Weltelite: Weltmeister Jeff Smith, der furchtlose John Banks und der spätere Weltmeister Bengt Aberg. Klingende Namen, die einem Motocross-Fan Tränen in die Augen treiben.Ein Schweizer vor der ganzen Weltelite? Das gab’s noch nie. Weil der Speaker, ein Engländer, den Namen Sonderegger nicht aussprechen konnte, nannte er ihn kurzerhand «Swiss Boy».Mitte des ersten Laufs überquerte ein Zuschauer auf der Zielgeraden unerlaubterweise die Rennstrecke. Der führende Urs Sonderegger erwischte ihn in voller Fahrt. Dabei stürzte der damals schnellste Schweizer Motocrosser und verletzte sich an den Beinen. Der mehrfache Trümmerbruch bedeutete das abrupte Ende seiner Karriere.Auf dem Weg zum Erfolg schlug das Schicksal erbärmlich zu. Noch bevor Urs Sonderegger den Erfolg, den er sich mit hartem Training erarbeitet hatte, geniessen konnte.In kurzer Zeit schaffte «Tannzapfe Guscht» den Weg nach oben. Bis zu seinem abrupten Karrierenende fuhr er keine fünf Saisons. Dies erklärt auch, wieso er in der Schweizer Szene nicht so bekannt wurde.Urs Sonderegger erholte sich gut von seinem schweren Unfall. Er gründete eine Familie und leitete ein Tiefbaugeschäft. Zusammen mit seiner Frau Anita führte er das Restaurant Harmonie in Oberegg, das zu einem Motorradfahrer-Treffpunkt wurde. Nebenbei präsidierte er auch über zehn Jahre den Motorradclub Oberegg. Später kaufte er sich eine Suzuki GSX/R 750. Auf den Passstrassen sahen ihn die Motorradfahrer nur von hinten. Er hatte einfach dieses fahrerische Naturell.Mit zunehmendem Alter wurde der Draufgänger vernünftiger. Bevor er mit dem Gesetz in Konflikt kam, verkaufte er das Motorrad wieder.Urs Sonderegger konnte von seinen Erlebnissen erzählen, als hätte er sie gestern erlebt. Er verfolgte die Rennen im Internet sowie in den Zeitungen und Zeitschriften. Und er wurde ein Fan von Jeremy Seewer, dem ersten Schweizer, der sich wirklich an der Weltspitze hält. Ansonsten sprach er selten über Motocross. Nur mit seinem Kollegen Paul Weder von der Berg-Garage in Berneck, der zehn Jahre nach ihm Schweizer Motocross-Meister wurde, unter-hielt er sich über das geliebte Hobby.Unerwartet hat Urs Sonderegger am 6. November 2020 die letzte Reise angetreten. Motocross fahrende Engel haben ihn zu Hause in Oberegg abgeholt.

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