09.05.2020

Einmal wurde ein Zug beschossen

Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Der Altstätter Hans Städler erinnert sich an jene Zeit.

Hans StädlerAls Deutschland im September 1939 Polen überfiel, besuchte ich die 2. Klasse im Schulhaus Klaus. Acht Monate später hiess es auch bei uns «Der Hitler kommt». Überall waren Soldaten im Stellungsbau; am Berg hatten sie leichte Bunker aus Holzwänden erstellt. Die Schweiz befürchtete den Durchmarsch fremder Truppen.Wir, die ganze Familie, war im Isenriet am Kartoffelstecken, als Soldaten uns befahlen, das Pferd einzuspannen und nach Hause zu fahren. Daheim mussten wir die Schulsäcke mit Wäsche und Süsswaren füllen - für den Fall, das wir flüchten müssten. Zum Glück konnten wir aber zu Hause bleiben, die Gefahr war bald vorbei. Mein Vater war dem Luftschutz zugeteilt, war aber Milchmann und musste nicht immer im Dienst sein.Panzerbarrikadenim Städtli errichtetAls Schüler war ich oft bei den Soldaten, um ihnen zuzuschauen. Lauter Rheintaler waren im Dienst und ich kannte sie alle. Manchmal schlief ich bei ihnen im Stroh. Im Städtchen spielte eine Militärmusik und der Dirigent fragte mich, ob die Musik mir gefalle. Nachdem ich die Frage bejaht hatte, fragte er mich nach der Adresse meiner Eltern. Einige Tage später erzählte mir die Mutter, vor dem Haus habe eine Militärmusik gespielt. Der Dirigent habe nach mir gefragt.1940 wurde das Tram aus den Schienen gehoben und quer über den Postplatz gezogen, als Hindernis und notdürftiger Schutz vor feindlichen Truppen. Zwischen der katholischen Kirche und dem Alten Pfarrhaus wurden Panzerbarrikaden errichtet, dasselbe geschah beim Durchgang im Untertor.Im Sommer 1942 bekamen wir zwei Heuer vom Militär. Es waren Landwirte aus Goldach, wo mit Hilfe anderer Soldaten ebenfalls zu heuen war. Grün war damals die Hauptfarbe.Zuerst in den Keller,dann unter BäumeAb 1943 kamen die Bomber der Alliierten. Als Feldkirch und Friedrichshafen bombardiert wurden, war das ein beängstigender Lärm. Sogar als am 1. April 1944 Bomben auf Schaffhausen fielen, hörten wir die Einschläge. Bei Fliegeralarm, wenn die Sirene losheulte, mussten wir Schüler uns in den Schulhauskeller begeben, doch das änderte sich Mitte 1944. Nun hiess es, unter Bäumen sei es sicherer.Ich war jetzt im Schulhaus Bild und musste bei Alarm mit den anderen Kindern die nahe Friedhof-Allee aufsuchen. Einmal, während wir dort ausharrten, wurde zwischen Altstätten und Oberriet ein Personenzug beschossen. Die Angreifer waren Amerikaner, die gemeint hatten, sie seien in Österreich. Zum Glück wurde im Zug niemand verletzt oder getötet.Über Stock und Stein zumnotgelandeten FliegerIm Frühling 1944 musste ein Bomber der Alliierten nordöstlich von Kriessern notlanden. Es war an einem Donnerstag, als wir nachmittags schulfrei hatten. Über Stock und Stein liefen wir nach Kriessern, das Riet war noch nicht melioriert, es hatte viele Gräben und Reste von Schnee.Am 8. Mai 1945 trat die tags zuvor unterzeichnete Kapitulation der Wehrmacht vor den Westalliierten in Kraft. Alle Glocken läuteten, die Marktgasse war voller Menschen, unter ihnen befanden sich viele Soldaten. Wir Sekundarschüler sammelten mit gebastelten Kartonkassen Geld für die Flüchtlinge. Im (1966 abgebrochenen und durch ein Warenhaus ersetzten) Hotel Falken in Altstättens Marktgasse waren Offiziere einquartiert. Sie spendeten den ganzen Tagessold.

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