05.10.2022

Einmal über Stock und Stein quer durch die Pyrenäen

Der in Heerbrugg lebende Arzt David Altmann startete am Radrennen Transpyr, das über die Pyrenäen vom Atlantik ans Mittelmeer führt.

Von pd
aktualisiert am 02.11.2022
In sieben Tagen fuhr Altmann mit seinem Mountainbike durch wilde, unberührte Natur und auf jedem erdenklichen Untergrund – durch Bäche, auf Strassen, in steinigen Trails und auf aussichtsreichen Abfahrten. Wie fast alle jungen Faltengebirge, sind die Pyrenäen in den letzten 20 bis 40 Millionen Jahren in der alpinen Gebirgsbildung entstanden, auch die Alpen und die Karpaten. Die 430 km lange Gebirgskette reicht vom Atlantik (Golf von Biskaya) bis zum Mittelmeer (Golf de Roses).«Ich bin zurück, die Transpyr ist Geschichte. Meine Beine fragen heute noch, was ich ihnen eingebrockt habe. Aber: Danke Beine und danke Kopf. Dank euch bleibt das Abenteuer für immer in starker Erinnerung», sagt Altmann im Rückblick auf seine bisher grösste Herausforderung im Radsport.18000 Höhenmeter in nur sieben TagenDie Strecke mit der Überquerung der Pyrenäen von Küste zu Küste ist 750 Kilometer lang und führt über 18000 Höhenmeter. Am Rennen nehmen aussergewöhnlich ambitionierte Mountainbike- und Rennradbegeisterte aus der ganzen Welt teil. «Hier tritt eine besondere Art Wettkampfpersönlichkeit an. Teilnehmende und Organisation sind geprägt von Empathie, Menschlichkeit und der Liebe zur Natur», sagt Altmann.Auf seiner Wunschliste stand schon länger, das Pyrenäenmassiv zu durchqueren. Als Altmann 2020 davon gelesen hatte, meldete er sich direkt an. «National Geographic» bezeichnete das siebentägige Rennen als eines der zehn besten Mountainbike-Etappenrennen der Welt. An den Start gehen darf man mit Mountainbike (auch elektrisch unterstützt) oder Rennrad. Das Format ist primär für Rennambitionen ausgelegt, aber ebenso können Personen teilnehmen, die nur finishen, also die ganze Strecke schaffen wollen. «Schon nur finishen ist harte Arbeit, körperlich sowie mental», sagt der in St. Gallen arbeitende Kardiologe aus eigener Erfahrung.Panoramenreiches Rennen und Camper-LifeDie Organisation von Reise und Etappenunterkünften liegt bei den Teilnehmenden. Die Rennorganisation bietet Hilfe, etwa bei Unterkunftsmöglichkeiten, mit Gepäcktransfers oder Transfers vom Ziel zurück zum Startort. Altmann entschied sich für die Campervariante, ein Freund begleitete ihn, servierte ihm das Frühstück und wusch die Kleider. «Er war immer da und er hat mich auch als Mentalcoach unterstützt», sagt Altmann.Für die beiden ging es am Bodensee los; im Camper fuhren sie zum Start nach Saint-Jean-de-Luz. Der Begleiter fuhr täglich zum Etappenziel, wo sie auf Campingplätzen schliefen. Das Wetter kam allen zunächst entgegen, die ersten Tage waren wolkenverhangen, ab und zu gab es Nieselregen oder Nebel, es war nicht zu warm. Im Gegensatz zu den Rennradfahrern fuhr Altmann mit dem Bike oft im Wald und war vor Sonnenstrahlen geschützt. Gegen Rennende nahm die Hitze aber deutlich zu.Altmann beschreibt die Route als perfektes Terrain; wenig erschlossen, viele naturbelassene Wege, gesäumt von anmutigen Kulissen. Bergdörfer, wilde Pferdeherden, aber auch Tiergerippe und Knochen am Wegrand waren einprägsame Bilder. Täglich standen rund 2500 Höhenmeter an, in der Region um den Tourmalet sogar 3400.Die Kunst, über die ganze Distanz durchzuhaltenAltmann zerlegte sein Ziel, die Pyrenäen zu durchqueren, in einige kleinere Ziele. Er kombinierte Neugierde, Vorfreude und sportlichen Ehrgeiz. Lange, steile Aufstiege auf losem Untergrund, Single-Trail-Abfahrten und Schiebepassagen strapazieren die Beine, den Oberkörper und die Finger. Er rät allen, etwa Schiebepassagen vorab gezielt zu trainieren.700 km in einer Bergkette ohne übermässigen Anteil an Asphaltstrassen zurückzulegen, sei nur mit Schieben möglich. Schiebepassagen gab es zwar wenig, sie sind aber eher demotivierend. Doch wenn er eine schaffte, belohnte er sich jeweils selbst. «Wenn plötzlich ein Reh auftauchte und mir Zeit für ein Foto liess oder ich am Ende einer längeren Schiebeetappe nur dank einer zufälligen Begegnung abseits der Menge den wohl spektakulärsten Ausblick geniessen konnte, zehrte ich lange davon», sagt Altmann. Auch die Motivation von Familie und Freunden, die ihn auf sozialen Profilen erreichte, half.Pannen-, aber nicht sturzfrei ins ZielDem Training zu Hause verdankte er die Schnelligkeit auf Abfahrten: Dank optimaler Trainingsbedingungen im Rheintal konnte er einige wurzelhaltigen Passagen mehr absolvieren als andere Fahrerinnen und Fahrer. Das OK wies in täglichen Briefings oft auf schwierige Stellen hin und mahnte zur Vorsicht. Feuchtes Wetter und schlammiger Untergrund führten in den ersten Tagen zu unfreiwilligen Rutschpartien. Ein späterer und  selbst verschuldeter Sturz auf gerader Strecke blieb auf folgenden Etappen in schmerzhafter Erinnerung. Für David Altmann stand die Gesundheit an oberster Stelle. Als Team-Rennfahrer hat er eine sehr gute Fitness und viel Fahrpraxis; als Arzt kann er Leistungsfähigkeit und Kraftreserven richtig einschätzen.Andere Puzzleteile sind Material und Rad. Altmann ist Teil eines Rheintaler Radteams, Beda Frei versicherte im Vorfeld, dass das Bike für alle Eventualitäten gut eingestellt war. Altmann erreichte das Ziel pannenfrei.Im Rennen war David Altmann von Offenheit und interkulturellem Austausch fasziniert. Er sei allein, aber dennoch selten allein unterwegs gewesen. «Man lernt Mitstreiter kennen; Argentinier und eine Gruppe Engländer. Von ihnen profitierte ich auf der letzten Etappe bei Gegenwind und kam so relativ entspannt an. Man hilft sich. Mit einem Anderen half ich einem E-Mountainbike-Fahrer, der ohne Rad eine Böschung hinuntergerollt war, zurück auf den Weg.»Die Ankunft im spanischen Roses war für Altmann emotional, denn dass er es wirklich schaffen würde, war ihm nicht immer klar. David Altmanns Abenteuer endete nach 3700 Kilometern wieder mit dem Camper am Bodensee.

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