Christlich 01.06.2024

Einige Zeit hinter Klostermauern zu verbringen, ermutigt dazu, das Gute im Leben zu entdecken

Sic transit tempora mundi. So vergeht der Ruhm der Welt. Ein krebskranker Mann in seinen Sechzigern schaute mit diesem Satz wehmütig auf sein Leben zurück. Vieles hatte er erreicht. Studium, Karriere, Familie, Wohlstand.

Von Thomas Beerle
Pfarrer, «Fresh X»
aktualisiert am 01.06.2024

Mich bewegt seine Aussage. Es stimmt, das Leben lässt sich nicht festhalten. Von Geburt an treiben wir dem Tod entgegen. Unaufhaltsam und manchmal auch unbarmherzig fliesst die Zeit.

Vor kurzem besuchte ich eine Weiterbildung in einem Kloster. In den 400 Jahre alten Mauern mit wunderbarem Klostergarten, mit einem geordneten Ablauf von Essen, Stille und Gebet stand für mich die Zeit beinahe still. Ich hatte einfach Zeit … musste nichts … konnte nachdenken … einen Schritt zurücktreten und das Leben als Ganzes anschauen. Was sich zunächst etwas komisch anfühlte, tat gut.

Das Thema dieser Zeit hiess «geerdet und beflügelt leben». Das regte mich an, mit einem besonderen Blickwinkel über das Leben nachzudenken. Was war gut in meinem Leben? In jeder Phase habe ich viel Gutes entdeckt. Geborgenheit, Freiheit, gute Beziehungen, schöne Herausforderungen.

Das Gute zog sich wie ein roter Faden durchs Leben

Manchmal bestand das Gute darin, dass ich Schwieriges erfolgreich bewältigt habe. Das Gute zog sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Das viele Gute zu sehen, hat mich dankbar gemacht. Als ich den roten Faden, den ich wahrgenommen hatte, in die Zukunft verlängerte, wurde mir bewusst: Da wartet noch viel Gutes auf mich. Trotz Einschränkungen.

Vieles in unserem Leben haben wir in letzter Konsequenz nicht im Griff. Was bei der Arbeit gelingt, wie sich Beziehungen entwickeln. Wie lange wir leben. Wir sind konfrontiert damit, ­loslassen zu müssen und mit Vergänglichkeit. Rainer Maria Rilke schreibt in seinem Gedicht «Herbst»:

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. / Und sieh dir andre an: es ist in allen. / Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen / unendlich sanft in seinen Händen hält.

Rilke zeigt: Unser Leben ist nicht anonym und beliebig. Wir treiben nicht im Strom der Zeit und enden im «grossen Crash». Unser Leben ist begleitet. Bis zum Schluss.

Hier klingen für mich die Worte eines alten Gebetes aus den Psalmen an: «Ich aber vertraue auf dich. Ich sage: Du bist mein Gott. In deiner Hand steht meine Zeit.» Jede und jeder darf ihre und seine Zeit gestalten. Sie ist ihr/ ihm geschenkt und wird bewahrt von dem, der den roten Faden des Guten nicht abreissen lässt.


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