06.12.2020

Einem Gebot der Zeit voraus

Vor fünf Jahren angelegt, entsprechen die biodiversen Gartenanlagen des Altersheims Viva einem Standard, der heute oft gefordert wird.

Von Reto Wälter
aktualisiert am 03.11.2022
Die Biodiversität zu fördern, ist angesichts einer zunehmenden Verarmung der Artenvielfalt nötiger denn je. Angeregt von verschiedenen Seiten, wie etwa vom Schweizer Radio und Fernsehen SRF unter dem Projektnamen «Mission B», wird etwa, dass kleine Flächen im Siedlungsgebiet genutzt werden: Terrassen, Flachdächer, kleine Vorplätze, unbenutzte Wegränder. Viele kleine Bemühungen, die heimische Pflanzen und Tiere fördern, vernetzen sich so zu einem wertvolleren Lebensraum.Es entwickelt sich wieder Leben an Orten, wo der Mensch keines mehr zuliess. Dies wird vermehrt finanziell und ideell gefördert, sowohl auf Bun-des- wie auch auf Kantons- und Gemeindeebene. Im Kanton St. Gallen hat das Amt für Natur-, Jagd und Fischerei 2018 die Strategie «Biodiversität im Siedlungsraum» lanciert. Zusammengearbeitet wird dabei auch mit dem Naturmuseum St. Gallen. Unter www.naturinfo.ch werden Projekte vorgestellt oder etwa Tipps und Tricks für den eigenen Garten präsentiert.Altersheim-Garten hat VorbildcharakterBereits 2015, also drei Jahre bevor der Kanton seine Strategie lancierte, wurde beim Altersheim Haus Viva in Altstätten nach dem Anbau der Wohngruppe Nova ein grosszügig biodivers gestalteter Garten angelegt. Nach fünf Jahren sind die angelegten Strukturen nun mit gewachsenen Pflanzen, Büschen und Bäumen bespielt und der Garten präsentiert sich in voller Pracht.Heimleiter Urs Trinkler, der auf dem Rundgang vom Garten schwärmt, bescheinigt auch, dass die Anlage rege genutzt wird, selbst im Winter. «Die Genossenschaft Wohnen im Alter hat vorbildlich gehandelt», sagt Landschaftsarchitektin Monika Pearson-Mächler. Die Gestalterin der Gartenanlage erklärt dazu, es sei von der Bauherrschaft schon in einem frühen Projektstadium genügend Land eingeplant und ein Budget reserviert worden. «Das ist nötig, um biodiversitätsfördernde Strukturen schaffen zu können, die auch als sozialer und kultureller Raum überzeugen und damit auf mehreren Ebenen Mehrwert bieten», sagt die Inhaberin von Pearson Landschaftsarchitektur in Rehetobel, deren Büro, wie sie sagt, schon seit Jahren in diese Richtung arbeitet.Ein Erlebnispfad, auf dem es viel zu entdecken gibtDie Anlage ist eine Art Erlebnispfad, der rund um den Gebäudekomplex herum angelegt ist. Der Rundweg beginnt in der Nähe des Haupteingangs, neben dem Restaurant. Auf dem hofartigen Platz, mit Grün bespielt, steht ein Nussbaum auf einer Wiese. Dieser Raum bietet die Möglichkeit für Märkte, Feste, und Konzerte, aber auch ganz einfach für Begegnungen. Heimleiter Urs Trinkler sagt, ihm falle auf, wie Bewohner und Besucher – je nach Tages- und auch Jahreszeit – unterschiedliche Plätze und Wege nutzen würden. Für Bewohner, die schlecht zu Fuss sind, ist es auch möglich, den Rundkurs durch das Haus hindurch abzukürzen. Sie müssen dann weniger Höhenunterschied überwinden.Der Weg führt weiter an Blumenwiesen und Rosenbeeten vorbei. Deren Duft und die in der Gartenlandschaft stehenden Skulpturen sind ein Erlebnis für die Sinne. Sie sind auch Teil eines Kunstgartenweges, der durch die Stadt Altstätten führt. Die Atmosphäre lädt einerseits zum Sinnieren ein und regt andererseits zu Gesprächen an. Die Trockensteinmauer, die mit einer integrierten Sitznische einen weiteren besonderen Ruheplatz anbietet, leitet über eine Abzweigung zu einem eigenen Areal.Mit Gehhilfen über Kieswege schrammenEin Biotop mit einem Birkenwäldchen daneben und einer Fläche aus Sand, Kies und Schotter lässt zu, dass sich die Biodiversität voll entfaltet. Der spezielle Untergrund gibt den Spaziergängern das Gefühl, an einem anderen Ort zu sein; sie müssen sich anders bewegen. Die Spuren von Gehhilfen zeigen, dass es sich die Bewohner nicht nehmen lassen, auch die Sitzplätze in dieser lauschigen Ecke des Areals zu besuchen. Richtung Parkplatz geht es dann vorbei an Bäumen und Gehölzen, auf die eine dichte Wildhecke mit essbaren Beeren folgt. Damit wird ein weiterer Akzent gesetzt. Die Beeren werden genutzt, sprich geerntet und verarbeitet, genau so wie auch die Kräuter und Gewürze, die entlang des Weges wachsen.Etwas erhöht und damit mit einer tollen Aussicht Richtung Alpstein und Vorarlberg liegt der geschlossene Dementengarten.Komprimierter Garten für die SinneAuf 400 m2 präsentiert sich hier sozusagen eine komprimierte Version der Anlage rund um das Haus. Sommer- und Herbstgärten, Kräuterbeete und Beerenbüsche, ja sogar eine Kiesfläche bieten hier Sinneserfahrungen, die dank einer Feuerschale noch intensiviert werden können. «Die Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft sind besonders wichtig für die Dementenabteilung», erklärt Urs Trinkler. Für Bewohner mit Bewegungsdrang ist ein Rundgang möglich, der sogar durch den Wohnbereich führt. Diesen kann man in der warmen Jahreszeit öffnen und den Garten sozusagen zur erweiterten Stube machen.Oft besucht und stets benutztHeimleiter Trinkler bilanziert, dass die Aussenanlage gut genutzt werde, auch von Mitarbeitern, die dort ihre Pausen verbringen. Es hat sich gezeigt, dass es richtig war, für die Anlage ein Gesamtkonzept zu planen. Das sieht man auch daran, dass in den fünf Jahren des Bestehens der beiden Gärten nichts umgebaut oder verändert worden ist: Es funktionierte auf Anhieb. Der grosse Platz vor den Fensterfronten hilft auch über die Corona-Zeit hinweg. Die Bewohner konnten so von ihren Zimmern aus Konzerten beiwohnen, die dort gegeben wurden. Auch Freiraum für Aktivitäten ist vorhanden. Besonders würden sich die Bewohner jeweils freuen, wenn Schüler vorbeikämen, sagt Trinkler. Zurzeit wird von ihnen ein Urban-gardening-Projekt betreut, also die kleinräumige, gärtnerische Nutzung städtischer Flächen. Auch Skulpturen wurden schon gestaltet und ausgestellt. Weil der Garten aus heimischen Pflanzen und Büschen besteht, passen solche Projekte bestens in die Umgebung. Landschaftsarchitektin Pearson-Mächler sagt: «Auch der Unterhalt ist nicht teurer als bei einer herkömmlichen Gartenanlage.» Sogar eher das Gegenteil sei der Fall, weil viele Flächen naturnah belassen werden könnten, ja müssten, weil sich dort Insekten und sonstige Kleinstlebewesen wohl fühlen würden.Der Rückblick nach fünf Jahren zeigt, dass sich die Anlage bewährt. Die Investition in Platz und Material zahlt sich aus, die Anlage bietet einen Mehrwert für Mensch und Natur.

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