1945 wurde das Unternehmen Felco vom Walzenhauser Félix Flisch (1914–2000) in Les Geneveys-sur-Coffrane im Kanton Neuenburg gegründet. Heute ist das Unternehmen Marktführer und weltbekannt für seine Gartenscheren.
Vor dem ersten Baumschnitt brauchen Bauern, Gartennovizen und Hobbygärtner auch das richtige Werkzeug. «Eine gute Schere ist wichtig für den Schnitt», sagt Peter Konrad, ehemaliger Leiter Gemüse- und Beerenbau für die Kantone Thurgau und Schaffhausen am Berufsbildungszentrum BBZ Arenenberg in Salenstein. Konrad muss es wissen: Während 31 Jahre hat er über 1500 jungen Bäuerinnen, Haushaltsschülerinnen und Hauslehrtöchtern nicht nur das «Häckerle» und Jäten beigebracht, sondern auch den Umgang mit Pflanzen und Geräten im Gartenbau. Daniel Brogle, Leiter Gärten am BBZ in Salenstein, bestätigt Konrad und fügt an: «Für mich ist es auch wichtig, dass die Schere gut in der Hand liegt.»
Christian Rüegsegger aus Wattwil ist seit 1989 Gärtner im Schlosspark von Andelfingen im Zürcher Weinland. Rüegsegger sagt, dass sein wichtigstes Gartenwerkzeug die Gartenschere sei. Mit dem geeigneten Werkzeug zu arbeiten, sei ohnehin das A und das O jeder Tätigkeit. Vor 35 Jahren hat Rüegsegger aus Versehen einmal seine Lieblingsschere kompostiert. Später, beim Kompost verteilen, kam sie wieder zum Vorschein. «Ich musste sie nur reinigen, die Klinge und die Feder wechseln und sie tut noch heute ihren Dienst.»Neffe von Johann Peter Flisch
Gründer Félix Walter Flisch wurde am 30. April 1914 in Walzenhausen als Sohn von Johann Martin Flisch und Sophie Flisch-Kellenberger geboren. Sein Vater war Lehrer und Bruder des Ausserrhoder Regierungs- und Nationalrats Johann Peter Flisch. Letzterer setzte sich als Nationalrat für die SP im eidgenössischen Parlament unter anderem für die Bergbauern und die Anerkennung der rätoromanischen Sprache ein. Der Bürgerort der Familie ist Tschappina im Kanton Graubünden. «Wie viele andere junge Leute dieser Zeit, wurde auch mein Grossvater im Alter von 15 Jahren in die Romandie geschickt, um Französisch zu lernen», sagte Pierre-Yves Perrin, der mittlerweile mit seinem Bruder Laurent das Familienunternehmen in dritter Generation führt. Beide sind in der Flisch-Gruppe aktiv, der Muttergesellschaft von Felco. 1930 trat Félix Flisch – nun mit accent grave geschrieben – in die Maschinenfabrik Dubied in Couvet im Val de Travers (Kanton Neuenburg) ein, die Strickmaschinen herstellte. Er absolvierte dort eine Feinmechanikerlehre, die er 1934 abschloss. Drei Jahre später trat Félix Flisch in Nyon dem Grenzwachtkorps bei. 1939 heiratete er die Westschweizerin Juliette Girod. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, 1945, kaufte er eine alte Uhrmacherfabrik in der ehemaligen Gemeinde Les Geneveys-sur-Coffrane, um dort eine innovative Manufaktur für Präzisionsschneidwaren und -scheren mit dem Namen Félix et Compagnie zu etablieren. In der kleinen Werkstatt beschäftigte er zu Beginn vier Personen. Bereits 1948 entstand das Modell Felco 2.
1978 wurde dann der Name und die Firmenstruktur (Aktiengesellschaft) in Felco SA umgewandelt. «Felco setzt sich aus Fel(ix) und Co(mpagnie) zusammen», erklärt Regula Brast von Felco SA, Schweizer Markt, die Namensgebung des Unternehmens.
Die Werkstätten im Zentrum von Geneveys-sur-Coffrane haben sich im Lauf der Zeit mit dem Wachstum der Firma ausgeweitet. Seit 75 Jahren sind sie ein fester Bestandteil des lokalen Lebens. Die meisten der heute 154 Angestellten – darunter 15 Personen mit einer Beeinträchtigung – leben im Dorf oder in benachbarten Orten, die sich vor einigen Jahren zur Gemeinde Val-de-Ruz zusammenschlossen.Jahresproduktion beläuft sich auf über eine Million Scheren
Félix Flisch hatte bei der Gründung die visionäre Idee, eine leichte, präzise und robuste Schere mit einer austauschbaren Klinge für den professionellen Gebrauch herzustellen und diese jenseits der Grenze zu vermarkten. Ein Dreivierteljahrhundert später erinnert bei Felco kaum noch etwas an die kleine Werkstatt der Anfänge. Heute werden in den Neuenburger Werken jährlich mehr als eine Million Schneidwerkzeuge produziert und montiert. Die Hälfte davon werden jährlich in Europa und der Schweiz verkauft.
Die bekannten Gartenscheren mit den roten Griffen werden über ein grosses Verteilnetz in mehr als 120 Länder exportiert. 2019 verzeichnete Felco einen Umsatz von rund 40 Millionen Franken. Felco verfügt über Vertriebsfilialen in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien, Südafrika, Australien, USA und Kanada. Seit 2016 existiert ausserdem ein Partnerschaftsvertrag zwischen Felco, der Schwestergesellschaft Felco Motion und den Firmen Stihl und Viking.Obwohl das KMU auf den internationalen Markt ausgerichtet ist – Felco exportiert mehr als 90 Prozent seiner Produktion – ist es in der Region stark verankert, und der Charakter eines Familienunternehmens ist erhalten geblieben. «Der paternalistische Führungsstil meines Grossvaters ist zwar Vergangenheit, aber es ist uns immer noch ein Anliegen, Probleme pragmatisch und menschlich zu lösen», sagt Pierre-Yves Perrin. Die Bekanntheit Felcos hat auch eine Kehrseite. Andere Firmen versuchen, die Marke zu kopieren, insbesondere beim Design.Investitionen in Innovationen
Im Gegensatz zu anderen Akteuren der Schweizer Industrie stellt Felco nicht hauptsächlich Artikel hoher Wertschöpfung her, sondern Basis-Werkzeuge, die für ein paar Dutzend oder ein paar Hundert Franken verkauft werden. Von der klassischen Gartenschere des Unternehmens wurden weltweit mehr als 15 Millionen Stück verkauft. Der offizielle Preis beträgt 65 Franken. Um auf dem Markt zu bestehen, investiert Felco viel in Innovationen. Vor einigen Jahren hat die Schwestergesellschaft Felco Motion beispielsweise eine elektrische Gartenschere entwickelt. «Wir reagieren damit auf Wünsche unserer Kunden. Aber wir befürchten nicht, dass unsere traditionellen manuellen Werkzeuge verschwinden werden. Die beiden Produkte sind komplementär», sagt Marketingdirektor Stephan Kopietzki.Auf Grund der Coronapandemie kann das Unternehmen sein 75-Jahr-Jubiläum nicht wie geplant feiern. Der Jubiläumsanlass und die für März eingeplante Internationale Rebschnitt-Meisterschaft wurden verschoben.