21.09.2022

«Eine sozialpolitische Bombe»

Die Caritas befürchtet aufgrund steigender Inflation und Energiepreise deutlich mehr Armut im Kanton St. Gallen.

Von Armando Blanco
aktualisiert am 02.11.2022
Lorenz Bertsch ist besorgt. In den letzten Wochen haben auffällig viele Menschen bei der Caritas-Regionalstelle in Sargans um Rat gesucht. Steigende Preise für Lebensmittel, Energie und andere Dinge bringen sie, die bereits am Existenzminimum leben, weiter unter Druck. «Vielen ist es gar nicht möglich, noch irgendwo Geld einzusparen. Denn sie leben bereits extrem sparsam», sagt der Bereichsleiter Sozial- und Schuldenberatung. Ein Polster hätten seine Klienten sowieso nicht. «200 Franken Mehrkosten in einem Monat liegen in den allermeisten Fällen gar nicht drin.»Elektrische Heizung und ein Job im SchichtbetriebWer in bescheidenen Verhältnissen lebt und beispielsweise elektrisch heizen muss, wird spätestens im nächsten Frühling bei der Nebenkostenabrechnung ein grosses Problem haben. Hinzu kommt: Gerade im Bereich der Working-Poor arbeiten viele Menschen in der Industrie; sie müssen dann zur Schichtarbeit erscheinen, wenn noch keine öffentlichen Verkehrsmittel fahren. Also sind sie auf das Auto angewiesen. Die höheren Benzinpreise belasten die finanzielle Situation zusätzlich.Lorenz Bertsch warnt: «Die Kumulation verschiedener Effekte ist aus meiner Sicht eine sozialpolitische Bombe. Die Politik muss sich dringend etwas einfallen lassen, sonst werden sich noch mehr Menschen in der Schweiz verschulden und in die Armut abrutschen.» Dass das Thema bereits im Fokus steht, haben die letzten beiden Tage im Kantonsrat gezeigt, wo sich politische Vorstösse und Diskussionen um die steigenden Kosten und Belastungen für die Bevölkerung gedreht haben. 50 bis 70 Franken lassen sich noch herausquetschenAus Gesprächen in den Regionen Sarganserland, Werdenberg und Rheintal weiss Lorenz Bertsch, dass die Zeit drängt. «Und leider wird sich die  Situation wohl nicht so schnell entspannen.» Die Caritas sucht mit ihrer Budget- und Finanzplanung bei der Klientel nach Einsparmöglichkeiten. «50 bis 70 Franken lassen sich manchmal da und dort noch herausquetschen», sagt der Leiter der Caritas in Sargans. «Schwierig wird es aber beispielsweise bei einer fünfköpfigen Familie, die nur 4000 Franken verdient.»Inflation bei 3,5 ProzentDie Inflation in der Schweiz ist im August gemäss dem Bundesamt für Statistik auf 3,5 Prozent gestiegen – von 3,4% im Juli. Die Teuerung ist seit Februar kontinuierlich und deutlich gestiegen. Der Index misst die Preisentwicklung der für die privaten Haushalte bedeutsamen Waren und Dienstleistungen. 

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