30.10.2019

Eine lange Vorgeschichte

Vor zwanzig Jahren wurde der Montlinger Tunnel offiziell eröffnet.

Von Werner Wittwer
aktualisiert am 03.11.2022
Werner Wittwer1955 wurde die erste Autobahn zwischen Kriens und Ennethorw eröffnet. 1960 trat das Bundesgesetz über die Nationalstrassen in Kraft. Ende August 1962 wurde das erste Teilstück zwischen Sargans und Bad Ragaz der damals genannten N 13 eröffnet. Ende 1964 folgte der 18 Kilometer lange Abschnitt zwischen St. Margrethen und Oberriet. Die Fertigstellung des Zwischenstückes erfolgte in den 1970er-Jahren. Beim Abschnitt zwischen St. Margrethen und Haag handelte es sich dabei um eine Autostrasse. 2002 wurde der letzte Ausbau der Autostrasse von Au bis Diepoldsau in eine Autobahn abgeschlossen.Vollausbau der Strecke Fohlenhof bis LoserenIm Frühling 1985 wurde durch den Kanton der Startschuss zum Vollausbau der Autostrasse zwischen Kriessern und Oberriet gegeben. Die Planung des kantonalen Baudepartementes sah auf der Höhe des Dorfes Montlingen fünf Meter hohe Lärmschutzwälle beidseits der Autobahn vor. Eine Studie des Kantons untermauerte den Nutzen und das Genügen dieses Lärmschutzes. Von der Montlinger Bevölkerung war heftig kritisiert worden, dass der Kanton von Anfang an nicht auf eine Tunnelvariante eintreten wollte und die Möglichkeit eines Tunnels nicht einmal in Betracht zog.Der Widerstand formierte sichDagegen wehrte sich die Dorfgemeinschaft mit 49 Einsprachen und mit der Gründung der «Kommission zur Wahrung der Interessen beim Ausbau der N 13». Unter dem Vorsitz von Max Lüchinger, Ortsgemeindepräsident von 1971 bis 1992, wurde das gemeinsame Vorgehen der Einsprecher (politische Gemeinde, Ortskorporationen, Naturschutz, Anstösser) festgelegt. Diese Kommission forderte einen 1,8 km langen Tunnel im Bereich des Dorfes. Begründet wurde die Forderung mit der Nähe der denkmalgeschützten Kirche, der Abdankungshalle, der erhöhten Lage der Schule, des Zollhauses und des Naherholungsgebietes Montlinger Bergli. Das Dorf und die Politische Gemeinde Oberriet standen geschlossen hinter dieser Forderung. Die Lärmmessungen vom November 1985 bei wenig Verkehr und windstill wurden hinterfragt.Autostrasse bekam den Übernamen «Todesstrecke»Bereits 1986 wurden im Tänneli sechs Wohnhäuser und mehrere Scheunen abgebrochen, im Oktober selben Jahres wurde auf der Autostrasse die «schreiende Mittellinie angebracht». Ziel war es, die dösenden Autofahrer aufzuwecken. Leider wurden nicht nur diese geweckt, sondern auch die Anwohner. Es kam immer wieder zu schweren Frontalkollisionen. In den Jahren 1979 bis 2002 starben auf der Strecke 96 Personen. Darunter auch Ortsgemeindepräsident Max Lüchinger 1993. Die Autostrasse bekam den Übernamen «Todesstrecke».Im Juni 1986 fand eine Aussprache mit dem Kanton statt. Dort wurde zugesagt, verschiedene Überdeckungspläne zu prüfen. Ende 1986 musste der Kantonsingenieur zugeben, dass keine Überdeckungsvariante geprüft wurde und an den Wällen festgehalten werde. Am Informationsabend des kantonalen Baudepartementes im Dezember 1987 stellten unabhängige Ingenieurbüros drei Varianten dem Lärmschutzwall gegenüber: 1. Vollständige Überdachung der vier Autobahnfahrspuren (Tunnel); 2. Teilüberdachung der auf der Dorfseite liegenden neuen zwei Fahrspuren (Galerie); 3. Überdeckung aller vier Spuren in Leichtbauweise (Halle). Die Expertenberichte ergaben nur wenig mehr Lärmschutz gegenüber dem Wall. Wobei die Bau- und Unterhaltskosten der drei Varianten massiv höher waren als die des angestrebten Walls. Am 17. August 1989 reiste Bundesrat Adolf Ogi an, um sich selbst informieren zu lassen und sich eine persönliche Meinung zu bilden. Er konnte sich aber nicht festlegen.In anderen Regionen ging esIm Kanton Zürich bei Opfikon und Urdorf waren Tunnels vorgesehen. Das Montlinger Komitee besichtigte im Juni 1991 bei Müllheim TG ein Teilstück der N 7. Dort entstand in unbewohntem Gebiet eine zwei Kilometer lange Ökobrücke für Fauna und Flora. Auch in anderen Regionen (AG, GL, OW, SO, SZ) wurden Kunstbauten zum Schutz von Mensch und Natur gebaut. Nationalrat Edgar Oehler nahm sich in Bern der Sache an und leistete an vorderster Front Überzeugungsarbeit. In St. Gallen übernahm diese Arbeit Roman Benz im Kantonsrat.Plötzlich bewegte sich etwasIm September 1991 nahm der Regierungsrat einen Augenschein in Montlingen. Daraufhin beauftragte er das Baudepartement mit der Ausarbeitung einer Überdeckung im Bereich des Dorfkerns in technischer und finanzieller Hinsicht. Der Auftrag bezog sich auf einen Tunnel von wenigen hundert Metern Länge, der nicht künstlich zu entlüften wäre. Im April 1992 genehmigte er ein Vorprojekt für einen 300 Meter langen Tunnel mit dem Vorbehalt, dass der Bund die üblichen Kosten von 84 Prozent an den Mehrkosten von 17,4 Millionen Franken übernimmt. Im Dezember 1993 stimmte der Regierungsrat einem ausserordentlichen Kredit von 1,6 Mio für die Überdachung der N 13 bei Montlingen zu. Im März 1994 wurde der Bau im Gelände neu ausgesteckt und im Juni/Juli 1995 begann das Abtragen des Humus und Abhobeln des Pannenstreifens im Bereich Tänneli dorfseitig.Im Oktober 1996 war der erste Tunnel fertiggestellt und wurde dem Verkehr übergeben, im September rollte der Verkehr richtungsgetrennt in beiden Röhren. Im November 1999 fand in Montlingen mit Behörden- und Kantonsvertretern die offizielle Einweihung des rund 300 Meter langen Tunnels der Autobahn A 13 statt. Somit hatte der jahrelange Streit ein Ende gefunden.Das Museum Montlingen wird nächstes Jahr zu diesem Thema eine Sonderausstellung mit Fotos von der Bauphase machen. Die Unterlagen auch für diesen Artikel wurden von Walter Loher aus Montlingen bereitgestellt, damals Gemeinderat in Oberriet.

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