Kurzarbeit 07.12.2024

Eine Krise auf leisen Sohlen: die Kurzarbeit ist zurück

Lange Zeit war aus der Wirtschaftsregion Rheintal vor allem eines zu hören: dass es an Fachkräften mangle. Aber plötzlich sind sie da, die Gerüchte über Kurzarbeit. Was es damit auf sich hat.

Von Sandra Schweizer Csillany
aktualisiert am 07.12.2024

Der Bahnhersteller Stadler meldete im Oktober Kurzarbeit an. Stadlers Walliser Zulieferer Constellium liefert nicht ausreichend Aluminium-Profile, deshalb ist die Produktion im Stadler-Werk in Altenrhein ins Stocken geraten. 119 Beschäftigte – die ganze Abteilung Wagenkastenbau – sind dort voraussichtlich bis Ende Januar von Kurzarbeit betroffen. Dass ein an der Börse notiertes Schwergewicht wie der Bahnhersteller Kurzarbeit anmeldete, gelangte rasch in die Medien. Aber wie viele andere Betriebe im Rheintal sind von Kurzarbeit betroffen?

AWA nennt keine Namen, aber Zahlen

Das kantonale Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) in
St. Gallen muss es wissen. Befinden sich Betriebe in einer schwierigen Situation und möchten Kurzarbeit einführen, melden sie sich beim AWA. Das Amt ist zuständig für die Bewilligung der Anträge auf Kurzarbeit. Konkrete Firmennamen nennt das AWA keine, aber immerhin Zahlen.

«Für den Dezember 2024 haben im Kanton St. Gallen 55 Betriebe insgesamt 2299 Mitarbeitende für Kurzarbeit vorangemeldet», gibt Adrian Schumacher, Fachmitarbeiter Kommunikation beim Amt für Wirtschaft und Arbeit am Telefon Auskunft. Damit sind die Voranmeldungen zwar etwas zurückgegangen. Im langjährigen Vergleich – mit Ausnahme der Coronapandemie – handelt es sich aber nach wie vor um einen hohen Wert, auch im Vergleich zum Vorjahr.

Schumacher weiter: «Für den Oktober 2023 hatten 25 Betriebe für rund 1900 Mitarbeitende Kurzarbeit vorangemeldet. Für den November 2023 lag der entsprechende Wert bei 32 Betrieben und 2000 Mitarbeitenden; für den Dezember 2023 bei 31 Betrieben und 1200 Mitarbeitenden.» Die Leiterin des Amtes, Karin Jung, führt aus:

Betroffen sind Betriebe in der Industrie und dem verarbeitenden Gewerbe aus allen Regionen des Kantons St. Gallen.

Zur Kurzarbeit im Rheintal datieren die aktuellsten Zahlen vom Herbst. Ende September waren hier 450 und somit ein Prozent der Beschäftigten angemeldet. In der Region liegt die Zahl der zur Kurzarbeit angemeldeten Personen damit etwas höher als im restlichen Kanton. Betroffen von Kurzarbeit sind primär Betriebe in der Industrie und im verarbeitenden Gewerbe.

Beides ist im Rheintal überdurchschnittlich stark vertreten. Allerdings gibt Jung zu bedenken, dass sich die erwähnten Zahlen auf die Voranmeldungen zur Kurzarbeit beziehen. Die Zahl der Betriebe und der Mitarbeitenden, die tatsächlich Kurzarbeitsentschädigung bezögen, sei erfahrungsgemäss tiefer als die Zahl der Voranmeldungen.

Wirtschaftliche Probleme im Ausland trifft Industrie

Auf die Frage, ob es sich bei den wiederholten Meldungen von Kurzarbeit um einen längeren Trend oder eher um eine Anhäufung unglücklicher Umstände wie etwa bei Stadler handelt, legt sich Karin Jung nicht fest. Sie sagt: 

Die Antwort lautet ‹sowohl als auch›. Die geschilderten unglücklichen Umstände sind ein Grund für die vermehrten Voranmeldungen zur Kurzarbeit.

Allerdings sähen sich Zulieferbetriebe – zum Beispiel Firmen, die Komponenten für die deutsche Autoindustrie herstellen – aktuell verstärkt mit Herausforderungen konfrontiert. Diese bekämen die wirtschaftlichen Probleme ihrer Kunden direkt zu spüren.

Man spricht nicht gerne über Kurzarbeit

Obwohl Karin Jung vom AWA die Kurzarbeitsentschädigung als ein Instrument lobt, das wirtschaftliche Krisen zu überbrücken und Entlassungen zu vermeiden hilft, indem die Angestellten den Betrieben mit ihrem Know-how erhalten bleiben, sprechen diese nicht gerne über Kurzarbeit. Nachfragen bei einzelnen Betrieben bleiben unbeantwortet. Der gut vernetzte Arbeitgeberverband Rheintal (AGV) sollte die Stimmung in den Unternehmen kennen.

Auch hier will man nicht konkreter werden. Geschäftsführer Thomas Bolt bestätigt immerhin auf Anfrage, dass verschiedene Betriebe im Rheintal Kurzarbeit angemeldet hätten, und zwar aus unterschiedlichen Gründen. Der AGV führe jedoch keine Liste oder Statistik. Bolt weiter:

Aus Vertraulichkeitsgründen kann ich leider die Betriebe, von denen ich Kenntnis erhalten habe, nicht benennen.

So bleibt es in Sachen Kurzarbeit bei Zahlen und der Gewissheit, dass es sie gibt, die Unternehmen im Rheintal, die derzeit durch schwierige Zeiten gehen.

Tätigkeit reduzieren, Mitarbeitende behalten

Bei Kurzarbeit reduzieren Unternehmen die Arbeit im Betrieb, ohne ihre Mitarbeitenden zu entlassen. Die Arbeitslosenversicherung übernimmt dabei einen Teil von deren Lohn. Bedingung ist, dass die Arbeitsverträge weiterlaufen und der Grund der beantragten Kurzarbeit in Faktoren liegen, die das Unternehmen nicht selbst beeinflussen kann. Des Weiteren müssen die Angestellten mit der Kurzarbeit einverstanden sein. Zuständig für die Bewilligung von Kurzarbeit ist die zuständige Amtsstelle des Kantons, im Kanton St. Gallen das Amt für Wirtschaft und Arbeit. Will ein Unternehmen in Kurzarbeit, muss es diese mindestens zehn Tage vor geplantem Beginn anmelden. Die Kurzarbeitsentschädigung beträgt im Normalfall 80 Prozent des Verdienstausfalls. Die Höchstbezugsdauer von Kurzarbeitsentschädigung beträgt im Moment 18 Monate.

 

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