20.08.2019

Eine Kooperation mit Pioniercharakter

Sozialarbeit und Psychiatrie arbeiten im Rheintal seit zehn Jahren erfolgreich zusammen.

Von pd
aktualisiert am 03.11.2022
Im Jahr 2009 begann die Kooperation des Psychiatrie-Zentrums Rheintal mit der sozialen Institution «förderraum». Aus heutiger Sicht eine Pionierleistung, denn beide Seiten mussten damals über den eigenen Schatten springen und die Arbeitsweise der Partnerorganisation verstehen lernen.«Wir wussten damals, dass unsere Patientinnen und Patienten neben der medizinischen, der therapeutisch-psychologischen Betreuung auch noch andere Bedürfnisse haben und dass es nötig ist, mögliche Ursachen ihrer Erkrankung in ihrem Alltag anzugehen», sagt Karlheinz Pracher, schon damals Leiter des Psychiatrie-Zentrums Rheintal. Auf der Suche nach Partnern, die beispielsweise eine Tagesstruktur oder Arbeitsmöglichkeiten anbieten konnten, erhielt er zunächst nur Absagen. Möglicherweise existierten bei vielen Institutionen Berührungsängste gegenüber der Psychiatrie. Erst beim «förderraum», einer sozialen Institution mit Sitz in St. Gallen, stiess er auf offene Ohren. Die erste gemeinsame Sitzung erlebte Nebojsa Spasojevic, leitender Arzt am Psychiatrie-Zentrum, dann aber als «Zusammenstoss der Kulturen». Zu unterschiedlich waren die spezifischen Fachsprachen und die fachliche Grundhaltung, die sich dahinter verbirgt.Interesse an Angeboten wuchs raschGleichwohl entschied man sich, ein erstes konkretes Projekt zum betreuten Wohnen in Angriff zu nehmen. Noch wusste man nicht, ob sich überhaupt genügend Patientinnen und Patienten auf die verbindlichen Rahmenbedingungen des «förderraums» einlassen würden. Doch es zeigte sich schnell, dass Interesse an der Wohngruppe bestand, später auch am Besuch der Tagesstätte und an wirtschaftsnaher Arbeit bei «Haus und Garten» oder im «Schloss-Café». Aus anfangs stark strukturierten Arbeitssitzungen entwickelten sich ebenso wichtige informelle alltägliche Kontakte. Die Mitarbeitenden des Psychiatriezentrums gewannen durch den engen Kontakt mit dem «förderraum» ein umfassenderes Bild von ihren Patientinnen und Patienten. Sie gewöhnten sich daran, abrufbereit zu sein und im Notfall umgehend einzugreifen.Die Erfahrung zeigt, dass sich dadurch in manchen Fällen ein Klinikaufenthalt umgehen lässt. «Entscheidend ist dabei das Zusammenwirken aller sich ergänzenden Angebote», sagt Alma Mähr, Geschäftsführerin des «förderraums».Psychiatrie-Zentrum Rheintal und «förderraum» sehen ihre seit zehn Jahren bestehende Kooperation rückblickend als eine Pionierleistung. Die früher scharf gezogenen Trennlinien zwischen medizinischen und sozialen Fachbereichen wirken aus heutiger Sicht künstlich und hinderlich. Die spezifischen fachlichen Grundsätze hat man dabei nicht aufgegeben, profitiert aber im eigenen Fachbereich von der Sichtweise der andern. «Im Nachhinein sehen wir Nähe und Sichtbarkeit sozusagen als methodisches Konzept», sagt Karlheinz Pracher. (pd)

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