Hildegard BickelAm Morgen unter der Bettdecke rasch ein paar Sätze ins Handy tippen: Damit ist es nicht getan. Wer zu krank oder zu bequem ist, um in die Berufsschule oder zur Arbeit zu gehen, muss sich wenigstens zu einem persönlichen Telefongespräch aufraffen.«Ich will hören, wie der Lehrling tönt», sagt Michael Tobler, Geschäftsführer der Baugerüste Bläsi AG in Rheineck. Bildschirme seien geduldig. «Meldet sich jemand nur per SMS oder E-Mail ab, rufe ich sofort zurück.» Das ermöglicht ein paar nachfragende Worte und lässt die Lehrlingsverantwortlichen spüren, wie es tatsächlich um die Jugendlichen steht.Der psychologische Aspekt spielt beim persönlichen Kontakt eine massgebliche Rolle. Denn die Hemmschwelle zu fehlen ist deutlich höher, wenn der Chef einen triftigen Grund für eine Absenz hören will, als wenn nur eine SMS verschickt wird.E-Mail bestätigt die verpassten LektionenWenn Lehrlinge die Absender sind, ist der elektronische Informationsfluss zwar unerwünscht. Andererseits erhält dieser Kanal doch immer mehr Gewicht. Dann nämlich, wenn die Berufsschule am anderen Ende ist. Beim Berufs- und Weiterbildungszentrum bzr in Altstätten hat sich das elektronische Absenzwesen bereits eingebürgert. Fehlen die Schüler in einer Lektion, verlangt auch das bzr zuerst eine Abmeldung beim Sekretariat. In einem weiteren Schritt notiert dies die Lehrperson in einem entsprechenden Computersystem. Noch am selben Tag erhält der Lehrbetrieb von der Berufsschule eine automatische Absenzmeldung per E-Mail.Dieser Kontakt zwischen Schulzimmer und Ausbildungsplatz hält jede verpasste Lektion exakt fest. «Ein Schultag wird gleich behandelt wie ein bezahlter Arbeitstag», sagt Philipp Müller, Leiter der kaufmännischen Berufe am bzr. «Deshalb ist die Schule dem Lehrbetrieb verpflichtet und wir informieren entsprechend.»«Es geht nicht darum, Strichlisten zu führen»Der Vorteil der elektronischen Absenzmeldung zeigt sich auch, wenn Lehrlinge auffällig oft fehlen. Ab 20 verpassten Lektionen pro Semester blinkt eine rote Lampe im System. Ist jemand krankheitshalber drei Tage und mehr abwesend, wird ein Arztzeugnis verlangt. Trotz Kontrolle begegnet die Schulleitung den jungen Erwachsenen mit Respekt. «Es geht nicht darum, Strichlisten zu führen, wenn jemand fehlt», sagt Philipp Müller. Im Zeugnis wird auch nicht mehr zwischen «entschuldigt» und «unentschuldigt» unterschieden, es gibt nur Absenzen. Und die seien in jedem Fall zum Nachteil der Lernenden. Verpassten Schulstoff aufzuarbeiten, ist mit zusätzlichen Mühen verbunden.«In erster Linie geht es den Lernenden und uns darum, dass sie den Lehrabschluss erfolgreich bestehen», sagt Philipp Müller.Die jungen Erwachsenen aufmerksam begleitenSollte es auf dem Weg dorthin Probleme geben und der Lehrbetrieb verdächtigt den Lernenden zu schwänzen, kommt es zur Aussprache. Schulleiter, Klassenlehrer und die Verantwortlichen des Lehrbetriebs einigen sich auf allfällige Massnahmen. Mündlich oder schriftlich verwarnen, Verfahrensgebühren zu Lasten der Lernenden oder zusätzliche Arbeit sind disziplinarische Möglichkeiten.«Es gibt solche Vögel, die schwänzen – früher wie heute», sagt Philipp Müller. Aber er stellt den Berufsschülern am bzr Altstätten ein gutes Zeugnis aus. «Wenn es hoch kommt, gibt es zwei Verwarnungen pro Jahr bei 600 Schülern.» Meistens sind in solchen Fällen tiefer liegende Probleme die Ursache. Familie, Liebe, Freizeit, Druck am Ausbildungsplatz – die jungen Leute befinden sich während der Lehrzeit in einer sensiblen Lebensphase. Für Philipp Müller ist es wichtig, aufmerksam hinzuschauen und Hilfestellungen anzubieten, statt auffällige Kandidaten als Schulschwänzer abzustempeln.Eine solche Nähe und Begleitung steht auch bei Michael Tobler im Vordergrund. Er kennt seine Lehrlinge und würde merken, wenn sich einer vor der Arbeit oder der Schule drückt. Es kam zwar auch schon vor, gibt er zu und schmunzelt: «Dann halte ich eben eine Standpauke.»