13.01.2021

Ein Witzlieferant erster Güte

Vor 125 Jahren starb der Rehetobler Dorfarzt Johannes Niederer. Er war ein beliebter Arzt, aber auch ein Witzbold.

Von Peter Eggenberger
aktualisiert am 03.11.2022
Der Appenzeller Witz gehört zu den immateriellen Unesco-Kulturgütern. Und die Witze machten eine ganze Reihe origineller Menschen – wie etwa der pfiffige Rehetobler Dorfarzt Dr. Johannes Niederer. Er verstarb am 9. Januar 1896.Vielfach waren es bekannte Dorforiginale wie etwa der legendäre Zwerg Seppetoni in Oberegg oder «Rägelis Babette» in Heiden, deren träfe Aussagen später als Witze die Runde machten. Zur Kategorie der Witzlieferanten gehörte auch Johannes Niederer, der am 11. April 1819 in Walzenhausen das Licht er Welt erblickte. Später absolvierte er in Bern und Wien ein Medizinstudium. In den 1840er-Jahren eröffnete er dann eine Praxis in Rehetobel.«So truck doch nöd, du Baabe!»Mit den Patienten pflegte Niederer einen überaus direkten Umgang. Viele seiner oft groben Sprüche leben bis heute weiter. Dies nicht zuletzt dank des Buches «Der Appenzeller Witz», in dem der Autor und Volkskundler Alfred Tobler manch ein Müsterchen von Niederer festgehalten hat.Als eine Patientin in der Sprechstunde klagte, sie habe starke Schmerzen, wenn sie auf den Bauch drücke, antwortete Niederer kurz und bündig: «So truck doch nöd, du Baabe!» Als ein Bub spätnachts den Arzt herausklingelte und rief: «Herr Tokter, min Vatter häd 44 Grad Fieber, wa sölid mer mache?» gab Niederer nur zurück: «Am beschte d Füürwehr hole!» Und dem über sein schlechtes Gehör jammernden Jock Holderegger beschied der Arzt: «Bis doch froh, as du nomme alls ghöörscht!»Auch die Patienten waren schlagfertig1847 wurde Johannes Niederer als Militärarzt im Sonderbundskrieg eingesetzt. Politisch betätigte er sich im Gemeinderat, und von 1864 bis 1868 gehörte er dem Ausserrhoder Obergericht an.Zu seinen Patienten gehörten immer auch schlagfertige Leute. So etwa «Jungfer» Rosette Zähner. Kaum hatte sie das Sprechzimmer betreten, fuhr sie der Arzt an: «Jumpfere Rosette, ier gfallid mer nomme!» – «Jo, weg em schö si mond ier o nöd bralle, Herr Tokter», erwiderte die Frau. Auch die Haushälterin blieb dem ledig gebliebenen Dorfarzt nichts schuldig. Als er eines Mittags voller Zorn die Suppenschüssel aus dem Fenster warf, beförderte die Magd auch die Fleisch- und Gemüseplatte ins Freie. Als der Arzt aufbegehrte, meinte sie: «Aha, ich dachte, der Herr Doktor beliebe heute im Garten zu speisen.»In der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre hatten das Doktorhaus und das benachbarte Restaurant Krone dem heutigen, 1978 eröffneten Alters- und Pflegeheim Krone zu weichen. Niederers träfe Aussagen aber sind bis heute unvergessen.

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