10.03.2020

Ein Viertel des Schweizer Zuckers geht nach Widnau

Bei der Festlegung des Preises hätten die grossen Zuckerabnehmer das Sagen – allen voran der Energydrink-Hersteller Red Bull, der für die Produktionsanlage in Widnau einen grossen Teil des gesamten Schweizer Zuckers bezieht, meldete die "Rundschau" von SRF. Keine Freude an diesem Fernsehbeitrag hat der CVP-Nationalrat und Bauernpräsident Markus Ritter aus Altstätten.

Von Adrian Vögele
aktualisiert am 03.11.2022
Den Zuckerbauern in der Schweiz geht es schlecht: Dies meldete die «Rundschau» von SRF am Mittwoch. Trotz der staatlichen Subventionen, die zuletzt angehoben wurden, würden immer mehr Produzenten aus dem Geschäft aussteigen, weil der Preis zu tief sei und sich der Anbau von Zuckerrüben nicht mehr lohne. Auch Volkswirtschaftsprofessor Mathias Binswanger wurde zitiert: «Die Subventionen führen in der aktuellen Marktsituation dazu, dass tiefere Preise bezahlt werden.» Red Bull profitiere wahrscheinlich in einem Umfang von fünf bis zehn Mio. Franken. Die «Rundschau» setzte den Titel «Steuergeld in Energydrinks». Keine Freude an diesem Fernsehbeitrag hat der St. Galler CVP-Nationalrat und Bauernpräsident Markus Ritter. «Mir persönlich schmeckt Red Bull als Getränk ja nicht», sagt er. Aber die Recherche der «Rundschau» greife zu kurz. Natürlich sei der heutige Zuckerpreis sehr tief, «was für uns Bauern und für die Zuckerfabriken störend ist». Die wahre Ursache liege aber nicht bei einzelnen Grosskunden, sondern in der Marktordnung. Früher produzierte die EU maximal 80 Prozent ihres Zucker-Eigenbedarfs, den Rest führte sie ein. 2017 aber änderte die EU das System: Seither stellt sie einen Überschuss an Zucker her und sucht Absatzmärkte für den Export, was den Zuckerpreis nach unten trieb. «Diesen Umbruch hat die Schweiz verschlafen. Dabei kam er nicht von heute auf morgen, man wusste das schon lange vorher. Doch obwohl wir den Bundesrat frühzeitig davor gewarnt haben, blieb er weitgehend untätig», kritisiert Ritter.«Bundesrat hat dieses System immer verteidigt» Red Bull stellt in Widnau drei Milliarden Dosen Energydrink pro Jahr her und verwendet dafür 25 Prozent der Schweizer Jahresproduktion an Zucker. Das Unternehmen betont auf Anfrage, man habe sich für Schweizer Zucker entschieden, obwohl dieser teurer sei als der europäische Durchschnitt. Zum Thema Subventionen schreibt Red Bull, die im SRF-Beitrag genannten Schätzungen der Ökonomen würden die tatsächlichen Beträge «in erheblichem Ausmass» übertreffen. «Wir sehen es nicht als unsere Aufgabe, die Schweizer Zuckerrübenpolitik öffentlich zu kommentieren oder zu beurteilen. Wir sehen es als unsere Aufgabe, uns wie bisher streng an die gesetzlichen Vorgaben zu halten.»Auch Ritter sagt, Red Bull verhalte sich gesetzeskonform – «in einem System, das der Bundesrat immer verteidigt hat». So sei auch der Weg zur derzeitigen Regelung mit den Subventionen steinig gewesen. «Mit Mühe und Not haben wir mit dem Parlament eine Übergangslösung bis 2021 erkämpft – den erhöhten Beitrag von 2100 Franken pro Hektare Zuckerrüben und einen kleinen Grenzschutz von sieben Franken pro hundert Kilogramm Zucker.» Parlamentarier von rechts bis links hätten das unterstützt, ebenso die Gewerkschaften – nebst der Landwirtschaft seien auch die Zuckerfabriken Frauenfeld und Aarberg betroffen. Ritter ist sich sicher: «Ohne die Übergangslösung würde heute in der Schweiz kaum mehr Zucker hergestellt. Und wenn wir die Lösung nicht über 2021 hinaus verlängern können, wird es ganz schwierig.» Was wäre also zu tun? Höhere Zölle auf Zucker könnten helfen, sagt der Bauernpräsident. «Wichtiger aber wären Nachhaltigkeitsstandards für Importe. Man kann nicht ständig die Anforderungen an die Schweizer Landwirtschaft erhöhen, was die Produktion verteuert, und zugleich bei den Importen nichts machen. In diesem Punkt unterstützen uns auch die Grünen.» Allerdings gebe es politische Kräfte, «die das verhindern wollen, weil sie sehr viel Geld mit dem Import verdienen». Viel Unkraut,wenig Strategie Der Zucker selber macht es den Produzenten auch nicht einfach: Der Anbau der Rüben ist aufwendig, unter anderem wegen des Unkrauts auf den Feldern, was dazu führt, dass der Bioanteil in der Zuckerherstellung gering ist. Zugleich ist es kaum möglich, dem Produkt besondere Eigenschaften zu geben, die höhere Preise rechtfertigen würden. «Zucker ist Zucker – ob er nun in Bayern oder im Thurgau produziert wird», sagt Ritter. Gegenüber einem Abnehmer wie Red Bull, der nicht auf ein «Swissness»-Label angewiesen sei und hauptsächlich für den ausländischen Markt produziere, sei die Zuckerbranche darum erst recht in einer schwierigen Position.«Wenn der Bundesrat an die Schweizer Zuckerwirtschaft glaubt, sollte er an einer Strategie mit entsprechenden Rahmenbedingungen für diesen Teil der Landwirtschaft zu arbeiten beginnen», so Ritter.  

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