12.11.2018

Ein «unverschamptes» Butzen-Buch

Die Röllelibutzen sind längst ein Markenzeichen in der Brauchtumslandschaft. Was ihnen jedoch noch fehlte, ist ihre eigens dokumentierte Geschichte. Zum Jubiläum «100 Jahre Röllelibutzen Verein» erschien nun ein würdig gestaltetes Buch.

Von Hildegard Bickel
aktualisiert am 03.11.2022
Hildegard BickelEs liegt gut in der Hand, grossformatig und gebunden. Beim Blättern durch die Seiten verströmt es den Geruch von frisch gedruckt. Sofort bleibt das Auge hängen an den Bildern mit den schmucken Röllelibutzen, sowohl bei den farbigen wie auch bei den früheren Fotografien in Schwarz-Weiss. Sie illustrieren die wissenschaftlich und historisch fundierten Berichte über das Altstätter Fasnachtstreiben.In seiner Laudatio konnte Werner Ritter nicht anders als das Buch und seine Verfasser, rundheraus loben: «Me wörd en huufe Neus inna.»Geforscht bis ins StaatsarchivEs sei kein Zufall, dass die Buchvernissage am Sonntag, 11. November, stattfinde, sagte Vereinspräsident Carlo Pinardi vor den Gästen im Museum Prestegg. Der Beginn der Fasnachtszeit ist zugleich der Auftakt zum Jubiläumsjahr der Röllelibutzen.1919 haben sich 60 Männer zusammengeschlossen und den Verein gegründet. Zu diesen Ehren gehört es sich, eine Festschrift zu gestalten. Man wollte die Leistungen der Vorgänger würdigen, so Carlo Pinardi, und mehr über den Ursprung der Alt­stätter Fasnachtsfigur, den Butz, erfahren. Gemeinsam mit ihrem Autorenteam betrieben Ferdi Segmüller (Leitung), Redaktor Meinrad Gschwend, Lino Pinardi und Werner Kuster einen grossen Recherche-Aufwand. Der Historiker Kuster reiste nach Zürich und forschte im Staatsarchiv nach Spuren der Röllelibutzen. Aussergewöhnlich ist dieser Einsatz, weil Werner Kuster von sich selber sagt, dass er nicht mit Haut und Haaren Fasnächtler sei. Als die Planung für das Buch im Februar 2016 begann, liess er sich trotzdem zu einem Beitrag über die Zeit der Butzen vor 1800 überreden.Diese Einblicke verschaffen eine Ahnung davon, wie umstritten die Fasnacht früher war. Die Rede ist von «unverschampter mummerey». Reformierte wollten das «entsetzlich Treiben verbutten». Doch selbst ein Verbot des Regierungsrates nützte nichts. Die Röllelibutzen ignorierten sämtliche Obrigkeiten konsequent. Sogar die beliebten Fasnachtsküechli schafften es in die Gesetzesordnung. 1572 war das «Orly hollen» verboten, weil das Gebäck beim Heischebrauch von Haus zu Haus auf nicht immer anständige Art eingefordert wurde, was bis zum Diebstahl in der Küche führen konnte.Die Auszüge in alter Sprache sind unterhaltsam zu lesen und zeigen den erfolgreichen Widerstand der Röllelibutzen über Jahrhunderte. Dass die reiche Tradition nicht tot ist, sondern lebt, macht unter anderem das Kapitel über die Butzenpolonaise deutlich. Mit Bildern und Figurenzeichnungen beschreibt Anja Hangartner Grundpositionen und Schrittfolgen. Leser könnten sogleich mit der Tanzlektion beginnen. Werner Ritter meinte, es sei ihm «trümmlig» geworden, so anschaulich seien die Polonaisen beschrieben.Das Buch führt als wertvolles Zeitdokument zudem eine Chronik mit wichtigen Ereignissen und Auftritten. Der jüngste Eintrag stammt vom diesjährigen Landschaftstreffen in Bad Waldsee (D) und Siebnen SZ. Der nächste Höhepunkt der Röllelibutzen steht bereits mit den zahlreichen Jubiläumsfestivitäten im Februar bevor. Bis dahin bleibt Zeit für die Lektüre, die Interessierte zu Kennern der Altstätter Fasnacht macht und wenn sie es nicht schon sind, auch zu Freunden oder mindestens Sympathisanten.HinweisDas Buch «Die Fasnacht in Altstätten, Ursprung und Entwicklung», Verlag FormatOst, ist erhältlich unter www.butz100.ch, bei Uhren und Schmuck Chantal in Altstätten und der Buchhandlung Moflar, Altstätten.

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