11.10.2019

Ein unglaublich positiver Mensch

Beni Bruggmann ist eine Fussballlegende als Trainer, Nachwuchsmanager und Sportjournalist.

Von Gerhard Huber
aktualisiert am 03.11.2022
Gerhard HuberJeder Rheintaler Fussballfan kennt Beni Bruggmanns Kolumnen, die jeweils am Mittwoch erscheinen. Mit hohem Sachverstand, tief greifenden Recherchen und grosser Sympathie porträtiert er jeweils ein Mitglied der regionalen Fussballszene. Obwohl er in wenigen Monaten ein «junger Achtziger» sein wird, wirkt Beni Bruggmann bei seinen Recherche-Besuchen auf dem Fussballplatz agil, wach und aktiv.«Ich freue mich jedes Wochenende, wenn ich auf den Fussballplatz kann. Da bin ich ein ganz anderer Mensch. Ich gehe frühzeitig hin, rede ein bisschen mit den vielen Menschen, die ich dort kenne. Da ist immer einer, mit dem man früher etwas gemeinsam gemacht hat. Denn ich bin schon mein ganzes Leben dem Fussball verbunden. Zuerst Spieler, dann Fussballinstruktor seit ich 28 Jahre alt war. Dann habe ich alle Kurse gemacht und durfte den FC Winkeln in der 3. Liga und den FC Gossau in der Nati B als Cheftrainer betreuen. Dann kamen zwei schöne Jahre als Trainer beim FC Widnau in der vierthöchsten Schweizer Liga.»Seine Familie, seine Ehegattin Esther, und seine zwei Mädchen und ein Bub waren immer dabei. Obwohl seine Esther vom Fussball bis heute nicht wirklich begeistert ist. «Handball gefällt mir besser, da läuft immer etwas.» Und so hat Beni Bruggmann auch viele Handballspiele gesehen, wenn er mit seiner Frau den Athleten vom TSV Otmar St. Gallen auf die Hände schaute. Der studierte Lehrer hatte neben seinen sportlichen Aktivitäten natürlich auch «ordentliche» Berufe. Als Sportjournalist. Und als Primarschullehrer.«Lustig waren meine Anfänge als Sportjournalist beim St. Galler Tagblatt. Die ersten Aufträge waren Berichte über das Eiskunstlaufen und Dressurreiten. Ich hatte von beiden Sportarten keine Ahnung. Später durfte ich beim Tagblatt auch Fussball machen. Und für die Zürcher Zeitung «Sport», die dreimal wöchentlich erschienen ist, über alle Heimspiele des FC St. Gallen berichten. Was natürlich viel umständlicher war als heute. Nach dem Match sofort nach Hause an den Schreibtisch, dann mit dem fertigen Bericht zum Telegrafenamt in der Hauptpost, dort wurde alles nochmals abgetippt und per Telegramm zum «Sport» nach Zürich geschickt. Man musste immer pressieren, stand immer unter hohem Druck. Wie später wieder beim Tagblatt. Als am Sonntagabend um 19 Uhr bereits die Montagsausgabe auf den Markt kam. Wenn um 15 Uhr Spielbeginn war, habe ich dann den Artikel übers Telefon der Sekretärin in der Redaktion diktiert. Und konnte anschliessend bei einem Bier auf die druckfrische Ausgabe warten, die ich eine Stunde später in die Hand bekam.»Beni Bruggmann kennt seine Schwächen. Die sich bei seinen Trainerjobs manifestiert hatten. Und von seiner Frau bestätigt werden, «der Beni ist kein guter Plauderer, er hört lieber zu». Da er an seinen Trainerstationen gemerkt hat, dass einige Spieler diese Zurückhaltung für eigene Spielchen nutzten, hat er sich aus dem «grossen» Fussball zurückgezogen und seine Leidenschaft entdeckt, nämlich den Kinderfussball.«Es war ein Superprojekt, das Göpf Künzle aus Zuckenriet und Klaus Käppeli aus Eggersriet vor etwa dreissig Jahren mit mir gemeinsam aufgezogen haben. Denn damals wurde bei den Kleinsten noch trainiert wie mit den Grossen. Kondition und Kampf waren das Wichtigste. Unter dem Motto «Erfolg ist gar nicht so wichtig, das Spiel an sich ist wichtig» haben wir zusammen mit weiteren Trainerkollegen drei Lehrbücher verfasst, dabei eines rein für den Kinderfussball. Bücher, die wohl jeder Trainer in der Hand gehabt hat und mit denen jeder Trainer schon gearbeitet hat. Es war das offizielle Lehrmittel für Kinderfussball in der Schweiz.»Ein Lehrmittel, mit dem Beni Bruggmann auch bei seinen vielen Vorträgen in der österreichischen Sportschule Lindabrunn, wohin er immer wieder vom Bund österreichischer Fussballlehrer eingeladen war, grossen Erfolg hatte. Seine Bücher wurden in fünf Sprachen übersetzt und mehr als 170000-mal verkauft. Bücher, die sich gegen Trainer und Eltern richten, die den kleinen Ballkünstlern zu viel Druck machen und auf dem Platz in übertriebenem Ehrgeiz schreien und poltern. Bücher, die den kindgerechten Fussball propagieren.«Aber das ist wohl ein Kampf gegen die Windmühlen. Dann kam mit meiner Pensionierung als Lehrer die Erfüllung eines Traums. Denn der Liechtensteiner Fussballverband engagierte mich, um alle meine Ideen für die Kinder zu verwirklichen. Mit voller Unterstützung und Rückendeckung des damaligen Verbandspräsidenten Reinhard Walser. So etwa bei der Organisation des noch heute existierenden Turniers «Alli anders, alli glich», wo zu Turnierbeginn Mannschaften aus verschiedenen Teams mit verschiedener Herkunft zusammengestellt werden. Immer wieder interessant, wie zu Beginn die Kinder dann miteinander etwas distanziert umgehen, sich aber bereits im zweiten Match wie alte Spielkameraden umarmen. Da sieht man, wie Fussball über alle Grenzen hinweg die Menschen verbinden kann. Am Morgen noch Fremde, am Abend beste Freunde.»«Er ist ein ganz positiver Mensch, unglaublich», so charakterisiert Gattin Esther kurz und prägnant «ihren» Beni. Wobei er nicht immer so war. Als Bub war der spätere Fussballlehrer ein Riesenegoist, der nie verlieren konnte. Aber der Sport hat bei ihm wirklich als grosse Lebensschule gewirkt. «Heute weiss ich, wichtig ist nicht das Gewinnen, sondern das Miteinander. In allen Sportarten. Ich selbst hatte immer ein polysportives Denken, gewirkt habe ich im Fussball. Wenn ich als Bub mit meinem Team 5:2 gewonnen hatte, habe ich geweint vor Zorn, dass mein Mitstürmer drei Tore und ich nur zwei Tore geschossen hatten. Ich verdanke ausschliesslich dem Fussball, dass ich im Sport, im Beruf und Privatleben zum Teamplayer geworden bin. Obwohl mir meine Esther natürlich schon ab und zu warnend sagt, dass wieder einmal der Egoist durchkomme. Ich bin sehr glücklich mit meiner Prägung durch den Fussball, wo ich gelernt habe, mit Anstand zu verlieren und mich selbst in die richtige Relation zur Umwelt zu setzen. So war meine Jugendzeit eine wunderbare Lebensschule, wo mir die Trainer jeweils zum richtigen Zeitpunkt gesagt haben, so geht es nicht.»Vielen Leuten ist der pensionierte Sportjournalist und Lehrer auch als begeisterter Begeher des Jakobswegs und des Galluswegs bekannt. Immer wieder war er mit Gruppen unterwegs, erreichte aber niemals das Ziel des Jakobsweges in Santiago de Compostela.«Ich habe immer bereits vor Santiago mit der Wanderung aufgehört. Ich wollte nicht ankommen, für mich ist der Weg das Ziel. Obwohl ich immer wieder mitgewandert bin. Von Widnau bis nach Le Puy im französischen Zentralmassiv. Oder von Le Puy Richtung Santiago. Oder mit einer Widnauer Gruppe nach Einsiedeln und später bis an den Fuss der Pyrenäen. Aber mit der Zeit habe ich dann Mühe bekommen mit dem Wandern und musste diese Leidenschaft aufhören. Ich habe die Gruppenfahrten organisiert, wir waren nur mit Tagesrucksack unterwegs und ein Begleitfahrzeug brachte den Rest. Dabei hatten wir jeden Tag ein Thema, zu dem ich vorgelesen und referiert habe. Einfach gute Gedanken. So die vielen Geschichten über Jakob. Ein Mitglied des FC Gossau mit Down-Syndrom, der immer seinem FC mit der Vereinsfahne vorausgelaufen war. Einfach ein ‹liabe Chaib›. Jeden Tag eine kleine Geschichte. Und am Schluss musste ich erzählen, dass er kurz vor dieser Pilgerreise gestorben war.»Auch in seinem Hauptberuf als Primarlehrer Mittelstufe fand der dreifache Vater und zehnfache Opa seine Erfüllung. Das Engagement als Lehrer in Widnau führte auch dazu, dass er dort ein Haus baute. Vor wenigen Jahren sind die Bruggmanns dann aber in eine neue Eigentumswohnung gezogen, da die vielen Unterhaltsarbeiten, die ein Haus erfordert, zu viel geworden sind. Und Beni Bruggmann hat neue Jobs als Hausmann übernommen, da seine Frau Esther aufgrund von altersbedingten Beschwerden so manche Arbeiten nicht mehr selbst machen kann. Aber ein Hobby lässt ihn nicht los: die Kalligrafie, die er sich mehr oder weniger als Autodidakt selbst beigebracht hat. Dieses Hobby hat vielen Freunden und Bekannten wunderschöne und gediegene Weihnachts-, Neujahrs- und Glückwunschkarten beschert. Und natürlich besucht der rüstige Sportjournalist, wenn immer es die Zeit zulässt, den Kneippgarten in Widnau. Schliesslich war er einer der Initianten und Mitgestalter und liebte es sein ganzes Leben lang, barfuss im Gras oder im Schnee zu laufen. Beni Bruggmann ist ein Mensch, der mit sich, seinen Mitmenschen und seinem Leben im Reinen ist. Ein unglaublich positiver Mensch.

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