Reto WälterZehn Prozent der üblichen Präsenz an Märkten ist ein Wert, den viele der Marktfahrer für 2020 nennen. Das heisst, sie konnten nur an zehn bis 15 statt 100 bis 150 Orten ihre Waren feilbieten. Nicole und Christian von Jugendmode Amriswil sagen sogar, sie hätten dieses Jahr nur an fünf Orten verkauft. Mit ihren Textilien, bedruckt mit Bandnamen und Sprüchen, sind sie sonst oft an Festivals unterwegs, die praktisch komplett abgesagt wurden.Die beiden finden es toll, dass Altstätten den Markt organisiert und freuen sich, einfach wieder einmal an ihrem Stand zu stehen. Sie meinen: «Dieser Markt ist jeweils eine Art Zugabe vor Jahresende. Angewiesen darauf sind vor allem Verkäufer von handwerklichen Produkten, die sich als Weihnachtsgeschenke eignen.» Aber auch diese Stände bleiben am Morgen und am Nachmittag weitgehend ohne Kundenaufkommen.Nicht einmal Kinder und Jugendliche sind unterwegsEbenfalls kaum zusehen sind Kinder und Jugendliche, die durchs Städtli streifen. Nicht einmal ein, zwei Kids lungern an den Spielzeugständen herum, sondern gar keine. Mauro Castrovinci, der mit einer Schifflischaukel vor dem «Frauenhof» steht, sagt: «Jetzt ist drei Uhr und ich habe noch keine zehnmal den On-Button gedrückt.»Die Marktfahrer haben Zeit zu plaudern, beschreiben zwar ihre schwierige Situation, aber es ist auffallend, dass kein einziger jammert. Jeder bringt noch irgendwelche positiven Punkte. «Meine Kunden kommen sehr zielgerichtet auf meinen Stand zu, suchen was sie wollen, kaufen und marschieren zügig weiter», sagt Mario Pizio, von Schuh & Textil Klee, Oberegg. Er verkaufe zwar weniger als sonst, aber er verkaufe. Auch am Fellhandel-Stand von C. + R. Schmid aus Montlingen ist nicht viel Betrieb. Das Ehepaar sagt aber, dass sie von Stammkunden leben würden und als bekannt worden sei, dass viele Märkte nicht stattfinden würden, habe in den letzten zwei bis drei Monaten der Absatz über den Versandhandel zugenommen.An der frischen Luft keine Angst vor CoronaAm Stand von Roland Göldi, Goldach, werden Lederwaren, etwa Portemonnaies, verkauft: «Das Stammpublikum an Märkten ist oft etwas älter und hat deshalb wohl Angst zu kommen.» Selber sehen sich die Verkäufer übrigens nur minimal gefährdet: «Das ist der Vorteil, wenn man draussen an der frischen Luft verkauft.» Zudem haben sie dank der Warenberge vor sich genügend Abstand und dazu auch noch eine Plexiglasscheibe dazwischen.Was die Marktfahrer beklagen, sind die fehlenden Essensstände, denn durch sie würden die Leute am Markt verweilen. Zudem bringe dies Laufkundschaft von Arbeitenden, die ihre Mittagspause am Markt verbringen. Er sei vor allem hier für seine Stammkunden, weil er auch am Wochenmarkt verkaufe, sagt Urs Unold, spezialisiert auf Bündner Spezialitäten. Lohnen würde es sich nicht. So wie ihm geht es einigen. Aber sie bleiben trotzdem solidarisch vor Ort. «Das gehört sich so unter Marktfahrern», erklärt einer der herumstehenden Verkäufer.Immer wieder ist aber auch zu hören, dass wohl einige Marktfahrer diese Krise nicht überstehen würden. «Nach 40 Jahren haben wir natürlich ein Polster, aber mir tut vor allem der Nachwuchs leid, der sein Geschäft noch am Aufbauen ist», sagt Othmar Ammann, Magenbrot und Confiserie Rüthi.Eine gefährdete Tradition?Märkte und Chilbi sind eine Tradition, die zum Rhythmus der Jahreszeiten gehöre wie die jeweiligen Festtage und es würde etwas fehlen, wenn sie verschwinden. Das wurde dem Schreiber bewusst, als er seinen obligatorisch zum Markt gehörenden Kokosballen am Stand verschlingen wollte und die Verkäuferin sagte: «Entschuldigung, sie dürfen den nicht hier und nur im Sitzen essen.»Als Altstätter mit den geheimen Ecken in der Altstadt bestens vertraut, wurde die Süssigkeit dann doch recht schnell unter die Maske geschoben, mit schlechtem Gewissen zwar, demselben Gefühl, dass der Schülerbub damals in der gleichen Gasse der Altstadt gehabt hatte, als er an einem Markt erste Zigaretten «weghustete».Damit hatte es sich dann aber leider auch schon mit der Nostalgie an diesem traurigen «Kläusler» 2020.Weitere Bilder: www.rheintaler.ch