Kai Stieger ist Schüler an der Talentschule für Musik und Gestaltung in Altstätten. Zum Abschluss seiner Oberstufenschulzeit widmete sich der 16-Jährige Geigenspieler der Strassenmusik. Ihn reizte die Möglichkeit, nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch ein Thema umzusetzen. Sein Ziel: auf der Strasse Musik zu machen. Ihm schwebte vor, dass ihn zwei Kolleginnen, die ebenfalls Geige spielen, begleiten sollen. Zwei, mit denen er zur Schule ging und von denen er wusste, dass sie eine gute Wahl sind. Lia Lootsma, 15 Jahre, und Smilla Bruderer, 16 Jahre, die mittlerweile das Vorarlberger Landeskonservatorium in Feldkirch besuchen. Beide fanden die Idee cool und sagten sofort zu, als Kai Stieger im Februar fragte, ob sie ihn unterstützen möchten. Kai wählte die Musiktitel aus, komponierte ein eigenes Stück und kümmerte sich um Organisatorisches. Ohne Bewilligung läuft nichts
Alles lief gut in der Planung, bis der Schüler sein Projekt bei den Ämtern der gewünschten Auftrittsorte bewilligen lassen musste. Ein bürokratischer Hürdenlauf begann. Ursprünglich wollte Kai Stieger in Appenzell auftreten und reichte ein erfordertes Gesuch ein. Doch die Auflagen bremsten ihn. Der Bezirksrat entscheidet sehr zurückhaltend bei solchen Anfragen und sieht es nicht gern, wenn in der Hauptgasse Appenzell Geld gesammelt wird. Dieser Punkt gehörte aber zum Projekt von Kai Stieger. Er wollte die Einnahmen des Auftritts spenden. Eine weitere Absage folgte von der Rorschacher Verwaltung. Hoffnungsvoller gestimmt war der Jugendliche, nachdem er in Buchs angerufen hatte und sein Projekt beschreiben konnte. Zwar gab es erneut Auflagen: Höchstens drei Musikanten sind erlaubt, Schlaginstrumente und Verstärker werden nicht geduldet, zudem ist ein Auftritt als Strassenmusiker mit einer Gebühr von 20 Franken verbunden. Besonders überraschte ihn jedoch, dass er persönlich vorbeikommen und vorspielen müsse. Kai Stieger liess sich von alldem nicht abhalten, machte einen Termin im Rathaus ab und erschien gemeinsam mit Lia Lootsma und Smilla Bruderer, alle mit dem Geigenkoffer auf dem Rücken.
Zuerst mussten sie sich mit dem Pass ausweisen, dann durften sie ihre Instrumente auspacken. «Die Angestellten achteten wohl darauf, dass unser Spiel nicht schrecklich schräg tönte», sagt Kai Stieger und grinst. Das tat es nicht. Wie denn auch, bei drei Talentschülern. Kaum hatten sie auf ihren Instrumenten zu spielen begonnen, brachen die Angestellten die Übung ab und lobten die Schüler mit Applaus. Schliesslich weichten sie auch die Bestimmungen des Auftritts auf. Die Stadt Buchs erliess die Gebühr, weil es sich um ein Schülerprojekt handelt und das gesammelte Geld einer Institution für Behinderte zu Gute kommt.Einfacher gestaltete sich das Bewilligungs-Prozedere in Altstätten. Ohne grosse Umstände und ohne vorspielen erhielt Kai Stieger die Erlaubnis, im Städtli zu musizieren. Auch die Bewilligungsgebühr von zehn Franken entfiel. Vor Ostern konnte das Trio die Auftritte schliesslich durchführen. Kai Stieger spürte die Aufregung. Doch nach der Vorprobe legte sich die Nervosität, mit dem guten Gefühl, dass er die Lieder im Zusammenspiel mit Smilla und Lia beherrschte. Bei schönem Wetter hatten sich während dem Konzert in Altstätten erfreulich viele Zuhörer eingefunden. «Ich musste aufpassen, dass ich mich nicht vom Geschehen auf der Strasse ablenken liess», sagt Kai Stieger. Eltern, Bekannte und Passanten waren unter dem Publikum, wie auch Lehrpersonen und der Präsident der Talentschule. Sie alle gratulierten und freuten sich, dass das Trio den Auftritt mit Tango, Klassischem und der Eigenkomposition so erfolgreich meisterte.
Beim zweiten Auftritt an der Bahnhofstrasse in Buchs waren ebenfalls viele Menschen zu Fuss unterwegs, «doch wenige blieben länger stehen», sagt Lia Lootsma. Im Vorbeigehen öffneten manche kurz das Portemonnaie, um zu spenden. Die drei Musiker fanden es schade, dass ihnen die Passanten nicht mehr Aufmerksamkeit schenkten. Dennoch werten sie das Strassenmusik-Projekt als schöne Erfahrung. «Es war lockerer als auf einer Bühne», sagt Smilla. «Es geht mehr um die Unterhaltung, um den Spass an der Sache.» Kai Stieger pflichtet bei. «Auch die Atmosphäre ist ganz anders unter freiem Himmel als in einem geschlossenen Raum.» Bei aller Freude, dass die Auftritte «zu 99 Prozent» gelungen sind, ist er erleichtert, dass der praktische Teil seiner Projektarbeit vorbei ist. Sollte er künftig Strassenmusikanten begegnen, wird er solche Auftritte umso mehr schätzen, da er nun weiss, was an Aufwand dahintersteckt. Gesammeltes Geld geht an Rhyboot
Die Musik will Kai Stieger weiterhin als Hobby pflegen, nebst seiner bevorstehenden, beruflichen Ausbildung. Im Sommer beginnt er eine kaufmännische Lehre.
Derzeit beschäftigt ihn der Abgabetermin der schriftlichen Projektarbeit und deren Präsentation in den kommenden Wochen. Zudem werden Kai Stieger, Lia Lootsma und Smilla Bruderer das gesammelte Geld – 356 Franken - dem Verein Rhyboot überreichen.