08.03.2018

Ein Stück Rheintal in Kanada

In einem kanadischen Dorf gibt es ein Fleischunternehmen, das Rheintal heisst. Guylaine Buecheli führt den Betrieb in zweiter Generation, der Markt wächst. Auf den Firmennamen wird sie oft angesprochen.

Von Remo Zollinger
aktualisiert am 03.11.2022
Remo ZollingerGuylaine Buecheli, die 38-jährige Geschäftsleiterin eines Bio-Fleisch-Unternehmens aus Kanada, lacht viel und gerne. Sie spricht schnell, ihr Französisch mit ausgeprägtem «accent québecois» erfordert hin und wieder ein Nachhaken. Sie ist spontan: «In anderthalb Stunden bin ich in Berneck», schreibt sie, und steht dann einige Minuten zu früh vor der Türe.Als würde sie nur darauf brennen, dem Rheintal ihre Geschichte und die ihres Betriebs in Québec zu erzählen. Sie tut das auch in ihren Ferien, die sie hier verbringt, gerne. Guylaine Buecheli hat kein Problem damit, den Termin zwischen einen Besuch in St. Gallen und einen Skitag mit ihren beiden Kindern in den Flumserbergen zu klemmen – besonders erholsam ist ihr Kurzurlaub in der Ostschweiz ja ohnehin nicht. «Ich habe viele Cousinen und Cousins, Onkel und Tanten hier, die ich alle besuche», sagt sie.«Eine sehr schöne Region, die Heimat meiner Eltern»Vor 39 Jahren kehrte das Altstätter Paar Heidi Büsser und Hans Buecheli seiner Heimat den Rücken. Fasziniert von der Natur Kanadas wählte es einen kleinen Ort in der Provinz Québec zu seiner neuen Heimat. Die beiden gründeten einen landwirtschaftlichen Betrieb, den sie Rheintal tauften – um immer ein Stück ihrer Heimat mit sich zu tragen, obwohl diese nun ennet dem grossen Teich lag.Die Firma heisst auch heute noch Rheintal. Inzwischen leitet Tochter Guylaine Buecheli mit ihrem Partner Sébastien den Betrieb. Sie sagt, Kunden würden oft fragen, woher der Firmenname stamme. «Ich erkläre dann, dass das Rheintal eine Region in der Schweiz ist. Eine sehr schöne Region, die Heimat meiner Eltern», sagt Guylaine Buecheli.Die Verbindung zwischen Heimat der Eltern und ihrer Heimat gefällt der 38-Jährigen. Sie erzählt den Kunden gerne ihre Familiengeschichte. Und sagt, der Markenname stehe für Qualität, habe sich etabliert. «Es würde mir nie in den Sinn kommen, den Namen zu ändern», sagt sie. Auch aus Verbundenheit zum Rheintal.Ein mittelgrosser Betrieb, dessen Markt wächstWer auf Google Maps die Strassen Saint-Grégoires «abfährt», sieht ein verschlafenes Nest. Einfamilienhäuser, Felder, eine Autobahn. In der Nähe der Sankt-Lorenz-Strom, der drittgrösste Fluss Nordamerikas. Die Region zwischen den Grossstädten Montréal und Québec ist im Vergleich mit anderen Regionen Kanadas dicht besiedelt. Es gibt hier keine endlose Weite wie in Saskatchewan, der Kornkammer des Landes, im Osten gelegen und 15-mal so gross wie die Schweiz. Der Fokus der Landwirtschaft liegt im Süden Québecs auf der Tierhaltung, der typische Betrieb ist eher klein, hat 70 bis 80 Kühe.In diese Kategorie lässt sich auch Rheintal einordnen, Guylaine Buecheli sagt aber: «Der Markt wächst, wir werden immer grösser.» Ihr gefällt, wie es läuft.Rheintal ist eine Firma, die gerne neue Wege geht14 Angestellte beschäftigt Rheintal inzwischen. Guylaine Buecheli hat den Betrieb in den letzten Jahren verändert. Neben Frischfleisch gibt es nun auch Trockenfleisch. Sie hat das Handwerk der Fleischtrocknerei gelernt – in der französischen Auvergne, weil es diese Ausbildung in Kanada gar nicht gibt. Ebenso wenig gab es zuvor Trockenfleisch und Rohwürste – Salami, Coppa, Rohschinken – aus heimischer Produktion. Guylaine Buecheli hat dies geändert. Auch, weil es zur Philosophie des Betriebs passt, der gerne Neues ausprobiert.Das war von Beginn an so. Die heute pensionierten Eltern Gulyaine Buechelis gehörten zu den ersten, die in Kanada einen Biohof eröffneten. Sie waren Pioniere. «Sie wurden angeschaut wie Ausserirdische, als sie damit begonnen hatten», sagt die Tochter. Heute sei es einfacher, aber immer noch nicht üblich. Nur zwei Prozent des in Kanada konsumierten Fleischs stammt aus biologischer Haltung.Der Versand in die Schweiz ist zu kompliziertDie Rheintal-Produkte sind in Québec beliebt. Das zeigt ein Blick in die Facebook-Rezensionen: «Superbe qualité» steht da, oder «un produit exquis». Die Firma geht neue Wege, wirbt (und diskutiert) auf sozialen Medien und besucht Festivals. Das Fleisch gibt es in über 200 Supermarkt-Filialen zu kaufen, es kann aber auch über einen Onlineshop per Post bestellt werden.Nur: Ein Versand ins Ausland ist wegen der Zollbestimmungen zu kompliziert. Will ein Rheintaler einen «Rheintaler» Salami probieren, muss er wohl oder übel nach Québec reisen.

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