16.10.2019

Ein stiller Helfer ohne Allüren

Jakob Eugster ist seit mehr als 35 Jahren für die Gemeinde Oberriet und die Schweizer Demokratie als Stimmenzähler im Einsatz.

Von Philippe Gall
aktualisiert am 03.11.2022
Philippe GallAm Sonntag wählt die Schweiz. Fernseh- und Radiostationen sowie Onlinemedien veröffentlichen dann schon am frühen Nachmittag ihre ersten Hochrechnungen.Damit sie das können, leisten viele Stimmenzählerinnen und Stimmenzähler einen grossen Einsatz zugunsten einer gut funktionierenden Demokratie. Sie arbeiten im Ehrenamt.Seit 35 Jahren im Dienst der Gemeinde«Wir sind vom Gemeinderat jeweils für vier Jahre gewählt und vereidigt»: Unaufgeregt und sachlich gibt Jakob Eugster Auskunft über diese Tätigkeit. Der 72-jährige pensionierte Schreiner und Aussendienstmitarbeiter ist ein freundlicher Mann und man kennt ihn gut im Dorf. Besonders jenen, die ihre Stimme auch heute noch persönlich an der Urne abgeben, dürfte sein Gesicht bekannt sein. Vier- bis sechsmal im Jahr leistet er einen wertvollen Dienst als Stimmenzähler an der Urne.«Ich mache das seit mindestens 35 Jahren, vielleicht sind es auch 38», sagt der fitte Pensionär. So ganz genau weiss er es selber nicht mehr. Er ist eben dabei, die Tür der Marienkapelle im Riet mit einem neuen Anstrich zu versehen. Auch das ist ein Ehrenamt. Man spürt, dass es Jakob Eugster stets um die Sache geht. Zum Stimmenzählen wurde er vor vielen Jahren, kurz nach seinem Zuzug nach Oberriet, durch Turnerkollegen motiviert.Man müsse organisiert und konzentriert arbeiten, beschreibt er die Tätigkeit. Und natürlich gehöre eine Portion Verschwiegenheit dazu, denn das Stimmgeheimnis müsse gewahrt bleiben.Standardisierte Abläufe sichern RechtmässigkeitDamit bei Stimmabgabe und Auszählung alles mit rechten Dingen zugeht, sind Regeln einzuhalten. Die Urnen der Aussenstellen werden vor dem Transport plombiert und erst im Rathaus wieder geöffnet. Es gilt das Vier-Augen-Prinzip. Weiss der Stimmenzähler, welche Partei sein Nachbar wählt? «Nein!»: Die Antwort kommt bestimmt und gradlinig. «Zuerst wird kontrolliert, ob der Stimmausweis unterschrieben und gültig ist. Alle verschlossenen Couverts mit den Stimmzetteln kommen auf einen Haufen, sodass nicht mehr ersichtlich ist, zu welcher Person sie gehören. Erst nachher wird sortiert und ausgezählt», erklärt Eugster. Dann kommen unveränderte Listen auf einen Stapel, während die Kandidatinnen und Kandidaten der panaschierten Listen einzeln ins System eingetragen werden. Auch diese Arbeit geschieht im Team, um Fehler zu vermeiden. Der erfahrene Stimmenzähler hat bei seiner Arbeit im Gemeindehaus noch nie schwierige oder brenzlige Situationen erlebt.Einzig bei Bürgerversammlungen, wo die Entscheidungen durch Handerheben festgehalten werden, könne es etwas heikel werden. Besonders vor einigen Jahren, etwa bei umstrittenen Einbürgerungen, wo es auf jede einzelne Stimme ankam und zwei- bis dreimal ausgezählt werden musste, erinnert sich Eugster.Lange Einsätze sind keine SeltenheitEin Einsatz dauert bei Abstimmungen normalerweise von 10 bis etwa 13 Uhr. Am nächsten Wochenende wird es aufwendiger werden. Eugster sagt: «Bei nationalen Parlamentswahlen zählen wir schon am Samstagnachmittag briefliche Stimmabgaben. Am Sonntag dauert der Einsatz dann nochmals von 8 bis etwa 14 oder 15 Uhr.»Neben den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die mit einem Obolus entschädigt werden, kommt bei nationalen Parlamentswahlen auch das Gemeindepersonal zum Einsatz. «Sonst würden wir gar nicht mehr fertig.» Eine Ausbildung für dieses Amt gibt es nicht. Die neuen Stimmenzähler lernen von den erfahrenen Personen. Learning by doing ist eine praktikable Methode, die gut zu funktionieren scheint.

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