18.10.2022

Ein Spiel, wie es Torhüter gar nicht mögen

Der 30-jährige Ilija Kovacic ist nach Ausflügen in den Profifussball zu seinem Stammverein Widnau zurückgekehrt.

Von Beni Bruggmann
aktualisiert am 02.11.2022
Der FC Widnau dominiert die Begegnung vom letzten Sonntag und besiegt Lachen-Altendorf verdient mit 3:2. Zuerst liegt das Heimteam aber 0:2 zurück.Ilija Kovacic, Widnaus Torhüter, ist in der ersten Halbzeit unterbeschäftigt. Ein paar Tor­abstösse, meist kurz zu einem Verteidiger gespielt, zwei, drei Mal ein weiter Abschlag, das war’s. Und dennoch liegt sein Team zur Pause 1:2 zurück. Merkwürdig.Das zweite Gegentor nimmt Kovacic auf seine KappeDie zwei Situationen, die zu den Gegentoren führen, sind rasch erklärt. Schon in der 7. Minute taxiert der Schiedsrichter einen Abwehrversuch eines Widnauer Verteidigers im Strafraum als unkorrekt, es kommt zum Strafstoss. Kovacic, der auch schon Elfmeter gehalten hat, hechtet in die falsche Ecke, Guy Loko trifft zum 0:1. Und eine Viertelstunde später reagiert der Widnauer Goalie zu spät. Er geht der Flanke, die von der Seite kommt, nicht entgegen. Deshalb kommt sein Verteidigerkollege Giovetti in Bedrängnis und lenkt den Ball ins eigene Tor. «Mein Fehler», sagt Kovacic ganz klar.In der zweiten Halbzeit verändert sich das Geschehen in der Defensive nicht: Kaum Beschäftigung für den Goalie. Dafür klappt es in der Offensive. Widnau holt den Rückstand durch Tore von Timon Cabezas und Ilija Ivic auf, und Lars Ivanusa schiesst das Siegesgoal. Und dann ist der Torhüter da, wenn man ihn braucht: Mit einer guten Parade vereitelt Kovacic in der 77. Minute den Ausgleich.Ilija Kovacic kommt am 2. Ju­ni 1992 in Zagreb, der Hauptstadt Kroatiens, zur Welt. Dort herrscht Krieg. Schon nach wenigen Monaten verlässt die Familie das Land. In Balgach findet der Vater Arbeit und die Familie ein friedliches Umfeld. Natürlich geht der Bub in den FC. Er fängt bei den F-Junioren des FC Widnau an. Im Tor, das ist für ihn selbstverständlich.Dann spielt er im Team Rheintal-Bodensee im U14- und U15-Team. Der junge Mann hat Talent. Im Jahr 2008 wechselt er mit einem Dreijahresvertrag zum FC Basel und spielt dort in den U-Mannschaften. Drei Jahre später kehrt er in die Ostschweiz zurück.Von 2011 bis 2015 gehört Ilija Kovacic zum erweiterten Kader der ersten Mannschaft des FC St. Gallen. Er wird einige Male in Freundschaftsspielen eingesetzt, mehr nicht. Sein Torhütertrainer ist der bekannte Milan Sarovic. «Von seinem Training habe ich profitiert.» In Kroatien kommt Kovacic zu drei Einsätzen im U20-Team und einem in der U21. Sein Trainer damals: Nico Kovac, heute Trainer bei Wolfsburg.Anlauf in Basel, Anlauf in St. Gallen, Hoffnung in Kroatien – und dann gelingt der Sprung in den Profifussball doch nicht. Wo liegt der Grund? Ilija Kovacic, mit 1,90 m gross genug für das Torhütermetier, ist sich da im Klaren: «Körperlich waren die Voraussetzungen perfekt, und auch technisch, da bin ich überzeugt, habe ich das Zeug zum guten Torhüter gehabt. Aber Fussball ist auch Kopfsache. Mir mangelte es an Selbstvertrauen.»Seine Trainer waren Nico Kovac und Murat YakinSo geht es statt in die oberste Liga über die Challenge League und die Vereine Chiasso, Aarau und Schaffhausen unter Murat Yakin bis zu Juventus Zürich. Dann kehrt er zu den Wurzeln zurück: 2021 ist er wieder beim FC Widnau.In der Zwischenzeit hat sich der gelernte Polymechaniker weitergebildet, unter anderem in Maschinenbau, hat dann eine Stelle bei Leica in Heerbrugg bekommen, zuerst temporär, dann fest, und heute ist er bereits Teamleiter in einer Gruppe von 14 Personen. Er arbeitet in der Endmontage und sagt: «Es gefällt mir mega.» Da ist einer aus der Traumwelt Fussball ausgeschieden und im wirklichen Leben angekommen. Hier ist er nicht allein: Seit sechs Jahren lebt er mit der Vorarlbergerin Julia Brunner zusammen in Diepoldsau.Sein Trainer Andreas Lüchinger sagt: «Ilija war für uns ein Glücksgriff. Er hat eine Profi-Einstellung. Wenn er spielt, gibt er der Abwehr Sicherheit. Er ist auf dem Boden geblieben.» Dieser Boden ist jetzt nicht mehr das Fussballfeld, es sind Beziehung und Beruf.

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