«Das i-Tüpfelchen für unser Projekt wäre, wenn wir die Stummfilmvorführung am 4. März 2022 zeigen könnten», sagt Dany Kuhn. An diesem Tag wird es genau 100 Jahre her sein, das «Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens» im Marmorsaal des Zoologischen Gartens Berlin Premiere feierte. Mehr als ein Jahr arbeiteten Irina Garbini und Dany Kuhn an einer eigenen Vertonung des zeitlosen Films. Zurzeit wird diese Musik in einem Winterthurer Studio professionell in Surround-Technik auf den Filmklassiker angepasst. «Surround kann ich hier in meinem Tonstudio in Altstätten nicht», sagt Kuhn. Später, so die Idee, soll der Film in Kinos oder Theatern aufgeführt werden. Stummfilm live mit Musik begleitenGarbini und Kuhn planen, als weitere Variante, «Nosferatu» auch vorzuführen und ihre Version der Filmmusik live vor Ort zu spielen. Das machten sie bereits Mitte November in der Bühne Marbach. «Leider hatte es nicht sehr viel Publikum», sagt Irina Garbini. Trotzdem: Sie habe selten einen so stimmigen Auftritt erlebt, meint die erfahrene Musikerin. Die Anwesenden hätten sich danach mit Standing Ovations bedankt. Die beiden kamen eigentlich durch Zufall zu diesem Projekt. Vor ziemlich genau zwei Jahren veranstaltete Michael Zellweger mit Gabi Felber an ihrem Heimatort, in Altstätten, die sogenannte «Ausstellung des Grauens». In der «Sitegass» zeigte Felber Figuren, hergestellt aus Zeitungspapier; er Bilder mit Bleistift und Kohle gemacht. An der Finissage wurde der «Nosferatu»-Stummfilm gezeigt, mit Livemusik untermalt. Als der Cellist kurzfristig absagen musste, sprangen Garbini und Kuhn ein. «Wir konnten nur zwei-, dreimal proben und mussten deshalb auch improvisieren», sagt Irina Garbini. Sie habe das damals alles aufgenommen und vieles habe gut gepasst und bildete damit die Grundlage für
die jetzige Version. «Mir kam dabei mein breiter musikalischer Background zugute. Ich mache gefühlt Musik seit ich auf der Welt bin», sagt die 58-Jährige. Sie habe schon einige Musik-Contests gewonnen, daraus hätten sich auch Angebote für Plattenaufnahmen ergeben, aber die hätten sie vollumfänglich in ein Genre gezwungen. «Das wollte ich nie», sagt die in Altstätten aufgewachsene Irina Garbini, die dank ihrer griechischstämmigen Mutter und ihres italienischen Vaters auch durch Musik und Instrumente aus diesen Ländern beeinflusst wurde. Sie spielte in verschiedenen Formationen, etwa bei der Riverhouse Jazzband, puschte aber immer auch Soloprojekte. Sieben Jahre lang mit Sina unterwegsSeit 2000 ist sie mit Dany Kuhn mit «More Than Just Music» unterwegs. Auch hier wird in wechselnden Formationen von Chansons über Blues bis Rock’n’Roll einfach alles gespielt. Stile wechseln sich genau so ab wie Sprachen. Auftritte hatten sie bereits schweizweit, aber auch in Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien. Dany Kuhn, der in St. Gallen aufgewachsen ist, begleitete von 1993 bis 2000 als Keyboarder die Walliser Mundart-Sängerin Sina. Zuvor war er mit der Band «Die Müllers» im Zirkus Rigolo engagiert. Nach seinem Engagement bei Sina fokussierte sich Kuhn auf die Studioarbeit und legte sich eine eigene Ausrüstung zu.Noch kein Auftritt beim Ex-Nachbar, dem Diogenes«Was mir damals fehlte, war eine «Stimme»», schaut der 61-Jährige zurück. Mit Irina Garbini fand er nicht nur eine Stimme, sondern auch die Liebe fürs Leben. Kuhn und Garbini sind seit 2005 verheiratet, beide behielten jedoch ihren Familiennamen als Einzelnamen. Das Ehepaar lebt und arbeitet an der Kugelgasse 10 in Altstätten, praktisch gegenüber des alten Diogenes-Theaters. «Leider hatten wir dort nie einen Auftritt», sagt Kuhn. «Aber vielleicht schaffen wir das ja noch – einfach am neuen Ort in der Prestegg», lacht er. Zurzeit sei es gar nicht einfach, an Auftritte zu kommen. Coronabedingt wurden bereits geplante Events verschoben. Viele Veranstaltungsorte seien auf Monate oder gar Jahre hinaus ausgebucht. Neue Termine könne man nur dahinter anhängen. Das Ehepaar trieb während des Lockdowns vor allem seine «Nosferatu»-Vertonung voran. Im Stummfilm spielt die Pest, eine Seuche, eine Hauptrolle. Und manifestiert sich im Vampir Nosferatu, dem Grafen Orlok, der den Tod in die Stadt bringt. «Die Thematik passt also sehr gut in die heutige Zeit», auch von daher war es ein rundum stimmiges Projekt», sagt Irina Garbini. Der Film sei übrigens nicht nur düster. Er habe witzige und gefühlvolle Szenen – und die Liebe spiele eine wichtige Rolle. Nun wollen beide mit ihrem Werk natürlich auch an die Öffentlichkeit. Schliesslich ist die Musik, respektive der Ertrag daraus, für sie auch ein Bestandteil des Einkommens. Kuhn stellt das Grundeinkommen mit seiner Arbeit als Buchhalter sicher, Garbini arbeitet als «Störfrisörin», wie sie sagt, besucht die Kundschaft zu Hause. Zudem gibt sie Online-Kurse, leitet Meditationen und führt eine Praxis für energetisches Heilen. Mit dem 100-jährigen Film unterwegs seinDas «Nosferatu»-Projekt kostet seit Beginn viel Geld. Vor allem, weil es «surround» vertont wird. «Dank der Unterstützung der Kulturstiftung Rheintal und der Karl Zünd Stiftung», kommen wir wenigstens nicht ins Minus. Das wäre nach all der Arbeit frustrierend», sagt Dany Kuhn. Nun geht es aber darum, den Film zu seinem 100-Jahr-Jubiläum mit der exklusiven Vertonung vor Publikum zu zeigen: Fertig abgemischt oder mit Livemusik. Wer weiss, vielleicht schafft es das Paar ja sogar noch ins Diogenes-Theater, auch wenn sie künftig ein paar Meter mehr unter die Füsse nehmen müssen, als dies bis vor Kurzem der Fall gewesen wäre.