08.03.2022

Ein Roman gegen das Vergessen

Anfang März erschien der erste Roman der Walzenhauserin Ruth Weber. Rund 70 Interessierte erhielten bei der Buchvorstellung einen Einblick in die Geschichte der Anna K. Auch Regierungsrat Alfred Stricker sass im Publikum.

Von Iris Oberle
aktualisiert am 02.11.2022
Iris OberleEs ist still im Raum für Literatur, der selbst viele Geschichten zu erzählen hat. Die Wände sind voll von Skizzen, Sprüchen, Erzählungen. Ruth Weber liest. Es ist das Jahr 1983, Lena und ihre jüngere Schwester sind bei den Grosseltern. Auf dem Dachboden scheint die Zeit still gestanden zu haben. Ein Puppenhaus der Tante, zugedeckt seit vielen Jahren. In der Stube die Puppen mit Löchern in den Kleidchen. «Motten, hat die Grossmutter gesagt. Motten fressen sich durch den Staub und die langen Zeiten.» Zwei Kriege prägten dasLeben der FigurSofort ist man drin, mitten in der Geschichte von Ruth Weber. Mal in der Kindheit von Lena, mal in den Jugendjahren von Anna, der Grossmutter. 1913 in Innsbruck geboren, in Hall aufgewachsen. Zwei Weltkriege hatte sie erlebt, die ihr Leben prägten. Sie sprachlos machten. Der Sohn, Lenas Vater, auch er ist sehr wortkarg. Die Kinderlähmung, seine stille Mutter; das alles hat ihn gezeichnet.Vor vier Jahren ist Ruth Webers Grossmutter 106-jährig gestorben. Oft war sie als Kind bei den Grosseltern, dennoch wusste sie kaum etwas über sie. «Die Geschichte meiner Grossmutter zu erzählen heisst, ein Leben zu inszenieren, das mir zu grossen Teilen fremd ist.» Sie machte sich auf die Suche nach ihrer eigenen Vergangenheit und erhielt einige Antworten auf viele Fragen. In ihrem Roman beschreibt Ruth Weber Anna so: «Mit ihren Worten ging sie sorgfältig und zurückhaltend um. Wie kann es geschehen, dass ein Mensch so lange lebt und dabei mit so wenigen Worten auskommt?» Themen, die aktuellernicht sein könntenEs ist die Geschichte von Kriegen und schrecklichen Erinnerungen, welche die Menschen wie einen schweren Rucksack ihr Leben lang tragen müssen. Vom Auftreten der Kinderlähmung, die 1954 im Appenzellerland zu Kontaktbeschränkungen und Schulschliessungen führte. Vom Totschweigen eines schweren Lebens. Es sind Situationen, die aktueller nicht sein könnten.Moderiert wurde der Abend von Boglárka Horváth. Kennengelernt hatten sich die Schauspielerin und Ruth Weber vor vier Jahren bei einem Workshop. Horváth stellt Fragen zur Geschichte, zum Schreiben. Beschreibt den Aufbau des Buchs, die Perspektivenwechsel und Zeitsprünge.Musik zum DurchatmenZwischen Lesung und Dialogen spielt Stefan Zeller, Ruth Webers Bruder, Klarinette. Die Besucherinnen und Besucher werden rausgerissen aus dem Geschehen, aber es ist gut. Beschwingte Musik zum Durchatmen, denn die beschriebenen Szenen machen nachdenklich, auch traurig. Aber vor allem machen sie Lust aufs Lesen.Hinweis«Das Korsett» ist beim Orte-Verlag (ISBN: 978-3-85830-302-8) oder bei Ruth Weber unter www.ruthweber.ch erhältlich.

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