20.08.2021

Ein Quilt für jede Wand im Haus

Ulrike Dürlewangers Wohnräume schmücken über 20 Wandteppiche, die sie in anderthalb Jahrzehnten gefertigt hat.

Von Seraina Hess
aktualisiert am 03.11.2022
Der Eingangsbereich des gut 300-jährigen Hauses im Rhein­ecker Städtli offenbart ein Dekorationselement, das sich auf allen Stockwerken fortsetzt: Die Wände sind mit reichlich verzierten Decken behangen, einmal mit einem gestickten Vers versehen, ein andermal mit Noten eines mittelalterlichen Liedes, dann wieder mit gehäkelten Blumen, aufgenähten Pailletten oder Perlen. Bis zu 20 Wandteppiche dürften es sein, ein paar mehr befinden sich in der Schublade oder in den Wohnzimmern von Bekannten, die das Handwerk von Ulrike Dürlewanger zu schätzen gelernt haben. Denn die 59-jährige Rheineckerin, einst Technische Zeichnerin und heute Hausfrau, hat sich vor gut 15 Jahren ganz und gar ei­nem Hobby verschrieben: Wenn immer sie Zeit dazu findet, fertigt sie Quilts – im Augenblick gerade einen rosafarbenen, der bald die Wohnung ihrer Tochter schmücken soll.Anfangs ging es um die NachhaltigkeitEin Quilt ist per Definition eine gesteppte Zierdecke, die einerseits als Tagesdecke dienen kann – beispielsweise als Bettüberwurf oder auf dem Sofa –, andererseits als Wandteppich eingesetzt wird. Das dreilagige Textil besteht aus einer aufwendigen Schauseite und einer Rückseite aus einer Stoffbahn, dazwischen befindet sich ein Vlies. Die drei Lagen werden schliesslich von Hand oder mit Hilfe einer Nähmaschine dekorativ miteinander verbunden respektive gesteppt.Ulrike Dürlewanger hatte schon immer ein Geschick für Handarbeit und nähte als Mutter von drei Kindern deren Kleider selbst. Zum Quilten, das in den USA und besonders bei den Amischen eine lange Tradition hat, fand sie, nachdem ihre Mutter einen Kurs besucht hatte. «Anfangs ging es darum, möglichst viele Stoffreste zu verwerten, ganz im Sinne der Nachhaltigkeit», sagt Dürlewanger. So verarbeitete sie alte Laken, Tisch- oder Spültücher, aber auch ausrangierte Kleider zu Patchwork-Stoffbahnen, die sie wiederum als Schauseite für ihre Quilts nutzte. «Nach fünf Decken hatten wir irgendwann definitiv genug, schliesslich ist nicht das ganze Jahr über Winter», sagt sie vor dem Schrank, in dem noch heute ihre ersten Werke lagern. Das Quilten gegen eine andere Beschäftigung tauschen wollte sie trotzdem nicht. Und so suchte sie Inspiration an Ausstellungen im Textilmuseum St. Gallen, in Büchern und Magazinen – bis sie schliesslich zu ihrem ganz eigenen Stil fand und diesen in grösseren und kleineren Wandteppichen umsetzte. «Blumen spielen sicher eine grosse Rolle, Farben und Dreidimensionales auch. Aber grundsätzlich mache ich mir kaum Gedanken vorab und arbeite mit den Stoffen, die ich an Lager habe. Ich lasse auf mich zukommen, was passiert.» Zig Stoffballen und mehrere Kilometer Faden sind inzwischen über Dürlewangers Nähtisch gelaufen. Das beeindruckt auch Kolleginnen, mit denen sie sich einmal im Monat zum Handarbeitsnachmittag trifft. Ursula Sturzenegger vom Restenstübli Braun sagt über die Freundin: «Sie arbeitet immer ohne Schnittmuster, und doch kommt stets etwas Präzises und Schönes heraus.»Ein halbes Jahr Arbeit bis zum EndergebnisObschon die Werke an den Wänden künstlerisch anmuten, will Ulrike Dürlewanger diese nicht als Kunst bezeichnen. «Was ist denn die Definition von Kunst? Ich sehe meine Quilts eher als aufwendige Handarbeiten.» Aufwendig sind sie in der Tat: Bis zu einem halben Jahr arbeitet sie an einem Quilt, meistens an den Wochenenden, im Winter auch ab und zu unter der Woche. Eine erste Ausstellung hat sie bereits hinter sich, die auf Anfrage von «Kultur in Rheineck» stattgefunden hat. «Ausstellungen sind aber nicht mein Ziel – mir bereitet schon die Arbeit allein genug Freude.»

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