Seit Oktober 2012 führen Sven Hopisch und seine Gattin Eva Nörpel-Hopisch das reformierte Pfarramt in St. Margrethen im Jobsharing. Das Pfarrehepaar hat eine Tochter im Primarschulalter. Neben seiner Aufgabe als Pfarrer will Sven Hopisch in den Kirchenrat. Er kandidiert für den frei werdenden Sitz in der Exekutive der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St. Gallen. Die Synode wählt am 27. Juni.Sven Hopisch, Sie wurden im deutschen Rheinland-Pfalz ordiniert und arbeiteten fünf Jahre lang in Luxemburg. Sind Sie nach einem Jahrzehnt in St. Margrethen Schweizer geworden?
Sven Hopisch: Den Schweizer Pass habe ich nicht. Eine gewisse Aussenperspektive habe ich mir bewahrt. Und doch wundern sich viele Leute, dass ich nicht wählen darf.Trotzdem dürfen Sie für den Kirchenrat kandidieren?
In der Kirche habe ich als Deutscher auch Wahlrecht.Welche Erkenntnis hat Ihnen die Aussensicht beschert?
Die Menschen im Rheintal und im Saarland sind direkt. Deshalb habe ich keine Schwierigkeiten mit den Leuten hier. Einigen bin ich aber zu direkt. Ich sage meine Meinung und habe dadurch auch etwas bewirkt.Und das wäre?
Ich bin ehrlich und ermutige die Kirchgemeindemitglieder dazu, ebenfalls offen zu sein.Sie haben im Kleinen bemerkt, dass Sie etwas bewirken können. Möchten Sie nun auf die grosse Bühne?
Ich wünsche mir, auch auf kantonaler Ebene zu gestalten. Die Erfahrungen in der Kirchgemeinde ermutigen mich dazu.Nennen Sie bitte ein Beispiel aus St. Margrethen.
Die Erlebnisprogramme – ohne sie hätten wir wohl keine Jugendarbeit mehr. Früher wurde von den Jugendlichen kaum etwas gefordert, um zur Konfirmation zugelassen zu werden. Das System, über Aktivitäten Credits zu sammeln, startete 2013. Meiner Frau und mir bot sich also gleich zu Beginn die Gelegenheit, die Jugendarbeit neu zu gestalten.Stellte sich der gewünschte Erfolg ein?
Etwa 90 Prozent der Jugendlichen und Eltern akzeptieren die Erlebnisprogramme. Mich freut es, wenn Kinder und Jugendliche gern zu uns kommen. Es gibt Jugendliche, die haben doppelt so viele Credits gesammelt, wie sie für die Zulassung zur Konfirmation brauchen. Es ist noch zu früh, um eine Langzeitbilanz zu ziehen. Ich hoffe aber, dass die Hemmschwelle für junge Menschen niedriger geworden ist, zur Trauung oder Taufe ihrer Kinder wieder den Weg in ihre Kirchgemeinde zu finden.In der Nachbargemeinde Rheineck haben Sie und Ihre Frau die Stellvertretung im per 30. April abgeben. Sind Sie dort gescheitert?
Nein, das sehe ich nicht als Scheitern an. Unsere Tochter besucht die vierte Klasse. Sie ist selbstständiger geworden und wir wollten etwas mehr als insgesamt 100 Prozent beschäftigt sein. 150 Prozent zu arbeiten, ist machbar, ohne dass die Familie zu kurz kommt. Aber Sie möchten lieber Kirchenrat sein, als in Rheineck als Stellvertreter zu wirken?
Es besteht nur ein zeitlicher, nicht aber ein ursächlicher Zusammenhang.Ist es klug, die Stellvertretung abzugeben, bevor entschieden ist, ob St. Margrethen und Rheineck fusionieren?
Es gab in Rheineck eine kleine, aber laute Gruppe, die mit uns nicht zufrieden war. Sie hat aber keine konkrete Kritik geäussert und uns somit die Chance genommen, unsere Arbeit zu überdenken. Wir haben uns nicht beleidigt zurückgezogen. Vielmehr wollten wir Druck aus dem Fusionsprozess nehmen. Andererseits haben wir viel Anerkennung für die Gestaltung der Gottesdienste und Abdankungen bekommen. Hinzu kommt, dass jetzt Erneuerungswahlen sind und ein Sitz frei wird.Sie wollen eine Kirchenrätin aus dem Kreis Toggenburg ersetzen. Folglich besteht ein Missverhältnis in der Sitzverteilung (siehe Zweittext).
Bis jetzt weiss ich von keinem Problem. Es ist wichtiger, auf den Inhalt als auf die Quote zu achten. Jedes Ratsmitglied schaut auf die Kantonalkirche und nicht nur auf seinen Kreis.Warum gibt es keine Gegenkandidatur aus dem Toggenburg?
Barbara Damaschke-Bösch gibt mit ihrem Sitz das Ressort «Schulische Bildung» ab. Das ist nicht sehr attraktiv.Wie kommen Sie zu diesem Schluss?
Die Kantonsregierung hat die St. Galler Sonderlösung, das Fach ERG in Schule und Kirche aufzuteilen, als gescheitert erklärt. Daraufhin musste ein neuer Lehrplan erarbeitet werden. Er tritt zum Schuljahr 2022/23 in Kraft. Das ist der zweite Wechsel seit 2016. Das Bild von Fach und Ressort hat unter den vielen Wechseln gelitten. Der Religionsunterricht hat einen schweren Stand in der Oberstufe. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass die Kirchen in der Schule vertreten sind. Was qualifiziert Sie für diese Aufgabe im Kirchenrat?
Seit 2013 unterrichte ich Religion an der Oberstufe. Drei Jahre später wurde ich zuständig für die Umsetzung kantonaler Beschlüsse. In der Schule bin ich Ansprechpartner für beide Konfessionen. Ich erachte es als wichtig, dass die Kirche ihrem Bildungsauftrag gerecht wird. Der Religionsunterricht muss nicht auf immer und ewig in der Schule angesiedelt sein. Im Moment ist es dafür allerdings noch zu früh. Die Kirche darf ihr Bildungsangebot für Jugendliche nicht aufgeben. Der Religionsunterricht ist immer noch die niederschwelligste Form der Jugendarbeit.Was sollte in der kirchlichen Jugendarbeit geschehen?
Es sollte festgelegt werden, welche Rollen Religionsunterricht, Erlebnisprogramme und die Konfirmation künftig spielen. Im Moment stehen sie unabhängig voneinander da. Die Frage ist, was genau in einem Konzept geregelt sein sollte und wie viel die Kirchgemeinden frei gestalten können. Der Prozess ist so angelegt, dass es bis 2025 einen konkreten Fahrplan geben soll.Vielen Kirchgemeinden fällt es schwer, frei werdende Pfarrstellen wieder zu besetzen. Hat die Jugendarbeit hier etwas versäumt?
Es besteht ein Nachwuchsproblem bei kirchlichen Berufen. Das gilt gleichermassen für Pfarrpersonen wie für Mesmerinnen und Mesmer oder in der Sozialdiakonie. Wir haben in St. Margrethen immer Probleme gehabt, diese Stellen zu besetzen. Junge Menschen interessieren sich zu wenig für kirchliche Berufe.Könnte sich Ihre Tochter vorstellen, einen kirchlichen Beruf zu ergreifen?
Ihr gefällt es, was ihre Eltern tun. Andererseits findet sie es nicht so toll, dass wir so oft am Sonntag arbeiten müssen. Der KirchenratDie Exekutive (Regierung) der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St. Gallen nennt sich Kirchenrat. Er besteht aus dem Präsidenten und sechs weiteren Mitgliedern. Das Präsidium hat Martin Schmidt aus Haag, früherer Pfarrer in Berneck, inne. Weiter gehören dem Rat Urs Noser (Altstätten) und Heiner Graf (Buchs) an. Diese drei Männer gehören dem Kreis Rheintal an. An der Synode (Parlamentssitzung) vom Montag, 27. Juni, sind die Gesamterneuerungswahlen. Barbara Damaschke-Bösch (Kreis Toggenburg) tritt nicht wieder an. Ihr obliegt das Ressort «Schulische Bildung». Sven Hopisch (St. Margrethen) kandidiert für ihren Sitz und ihr Ressort. Im Fall seiner Wahl bekleidete der Kreis Rheintal drei Sitze plus Präsidium. Auf den Kreis St. Gallen entfielen zwei Sitze (Antje Ziegler und Annina Policante-Schön), auf den Kreis Toggenburg einer (Heinz Fäh).