04.08.2018

Ein lebendes Denkmal aufgespürt

1913 feierten die Appenzeller Kantone die 400-jährige Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft. Die Gemeinden wurden ermuntert, sogenannte Zentenarbäume zu pflanzen. Die meisten gerieten in Vergessenheit.

Von Karin Erni
aktualisiert am 03.11.2022
Karin ErniDie Sache mit der Linde liess Hermine Heeb aus Wald keine Ruhe. Eine Bewohnerin des Altersheims Obergaden, das die Heebs viele Jahre leiteten, hatte ihr einst erzählt, dass der mächtige Baum oberhalb des Heims 1913 zum 400-Jahr-Beitritt zur Eidgenossenschaft gepflanzt worden sei.«Doch nirgendwo war et­- was erwähnt, und auch auf der Gemeinde wusste man davon nichts», erinnert sich die 81-Jährige. Auch ein Gedicht zu diesem Thema, das ihre Tochter im Gemeindeblatt veröffentlichte, verhallte ungehört.Wichtiger Hinweis von einem NachbarnVon einem Nachbarn erhielt Hermine Heeb schliesslich einen Hinweis. Seine Mutter habe ihm einst erzählt, es habe bei der Lindenpflanzung auf dem Hörli eine Feier gegeben, an der jedes Kind einen Cervelat erhalten habe. «Da wusste ich, dass die Geschichte stimmen muss», sagt die Seniorin.In der Kantonsbibliothek Trogen forschte sie in alten Exem­plaren der «Appenzeller Zeitung» nach Belegen für die Pflanzaktion. In der Ausgabe vom 15. September 1913 wurde sie fündig. Die Gemeinden wurden ermuntert, im Herbst des Jubi­läumsjahres einen sogenannten Zentenarbaum zu pflanzen. Linde, Ahorn oder Eiche eigneten sich, denn sie gedeihen auch in den höchstgelegenen Gemeinden des Kantons.Der Baumriese als Freude für die Nachkommen«Als Wahrzeichen unserer Jahrhundertfeier würde der Baum mit der Jugend heranwachsen, als geschichtliches Dokument entwickelt zum stattlichen Baum­riesen ganz besonders unseren Nachkommen eine Freude sein», steht in alter Frakturschrift im Zeitungsartikel.Neue Lindenpflanzung erwirkt2013 jährte sich das Beitrittsjubiläum der Appenzeller Kantone zum 500. Mal. Das brachte Hermine Heeb auf die Idee, wieder eine Linde in Wald zu pflanzen. Die Gemeinde war bereit, die Kosten dafür zu übernehmen. Als Ort wurde die «Schiben», in Sichtweite der über 100-jährigen Hörli-Linde gewählt. Die Unterstufenkinder pflanzten den Baum feierlich. Zum Abschluss gab’s Wienerli, die von der Initiantin spendiert wurden. Damit die Linde nicht wie ihre Vorgängerin in Vergessenheit gerät, hat Bildhauer Christian Hörler eine Sandsteintafel angefertigt.«2013, 500 Jahre Appenzell in der Eidgenossenschaft» steht darauf.Die Tafel liegt am Wanderweg neben der Linde im Gras. Das zugehörige Bäumchen wirkt noch schmächtig. «Sie sollte noch etwas wachsen», sagt Hermine Heeb und zupft aufmunternd an einem Ästchen.

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