23.05.2020

Ein Lächeln als Dank

Viele Einkaufshilfen im Appenzellerland beenden ihr Angebot. Die freiwilligen Helfer und die Nutzer profitierten.

Von Stephanie Häberli,Mea McGhee
aktualisiert am 03.11.2022
Stephanie Häberli,Mea McGheePrivate Hauslieferdienste und Nachbarschaftshilfen wurden zu Beginn der Coronakrise landauf, landab aus dem Boden gestampft. Landfrauen, Gemeinden, Familien, Einzelpersonen und Gewerbetreibende zeigten sich solidarisch und übernahmen für Personen aus Risikogruppen die Einkäufe und Lieferung von Lebensmitteln. Nach der Lockerung der Massnahmen werden viele Angebote eingestellt. Es ist Zeit, eine Bilanz zu ziehen. In Trogen hat die Familie Carniello schon vor dem Lockdown eine private Einkaufshilfe auf die Beine gestellt. Drei Generationen waren beteiligt, sei es als Fahrer, Administratorin, Einkäuferin oder Auslieferer. «Es gab ganz viele berührende Momente, waren wir doch für viele Menschen der einzige reale Kontakt», sagt Fabienne Carniello. Für rund 30 Nutzer hat die Familie eingekauft. «Ich war täglich im Dorfladen», sagt Fabienne Carniello. Ihre Kinder halfen jeweils bei der Auslieferung. «So haben sie gelernt, zu helfen, auch eh-renamtlich. Das ist mir wichtig.» Fabiennes Vater Ernst berichtet, dass Einkäufe für rund 12 000 Franken getätigt wurden, 162 Fahrten kamen zusammen. Gab es besondere Bestellungen? «Viele Senioren wollten Knollensellerie, etwas das ich kaum kaufe», sagt Fabienne Carniello und lacht. «Wir haben viel Schönes und Berührendes erlebt. Und wir haben Leute kennengelernt.» Nun haben Carniellos ihren «Kunden» mitgeteilt, dass sie die Einkaufshilfe per Ende letzter Woche eingestellt haben. Den Einkaufstaschen haben sie das Empfehlungsschreiben des BAG beigelegt, wonach auch Senioren wieder einkaufen können. Für eine Handvoll Einzelfälle, die auf Hilfe angewie-sen sind, übernimmt nun der Dorfladen gegen eine kleine Entschädigung das Liefern der Ware. Seitens der Gemeinde wird das Engagement der Familie sehr geschätzt. Man sei in Kontakt gestanden und hätte bei Bedarf mit weiteren Freiwilligen Unterstützung bieten können, sagt Gemeindeschreiberin Annelies Rutz. Statt Schüler Einkäufe transportiertGar nationale Beachtung fand das Angebot in Schwellbrunn, über das die Tagesschau von SRF berichtete. «Die Reaktionen kamen aus der ganzen Schweiz», sagt Gemeindepräsident Ueli Frischknecht. Die Gewerbetreibenden nahmen Bestellungen telefonisch oder online entgegen, und die Schulbusfahrer lieferten die Waren am Folgetag aus. Auch zu abgelegenen Liegenschaften auf dem weitläufigen Gemeindegebiet. «Das Angebot wurde sehr geschätzt und rege genutzt», sagt Frischknecht. Bis am 29. Mai hält Schwellbrunn den Hauslieferservice aufrecht, bei Bedarf auch länger. «Aber allmählich ist es Zeit, einen Schritt zurück zur Normalität zu machen», so Frischknecht.Nebst dem Hauslieferservice wären im Dorf rund zehn Freiwillige für andere Helferdienste zur Verfügung gestanden. Laut Gemeindepräsident wurde dieses Angebot aber nicht genutzt.Hilfe via FacebookorganisiertDie «Einkaufshilfe SG AR AI», die sich über die gleichnamige Facebook-Gruppe organisiert, hat alleine im Appenzellerland in den letzten Wochen 20 Aufträge verzeichnet. «Daraus haben sich diverse «Göttipartnerschaften» entwickelt, wodurch die Nachvollziehbarkeit der effektiv getätigten Einkäufe verschwimmt», sagt Elias Pfändler. Er ist zuständig für die Einkaufshilfen im Appenzellerland. Erwartungen bezüglich der Höhe der Nachfrage hatten Pfändler und Sonja Enzler, die für die Einkaufshilfe im Kanton St. Gallen zuständig ist, keine: «Unsere Devise war immer, dass wir hier sind, wenn man uns braucht. Wenn kein Bedarf besteht, ist das umso besser. Wir sind froh, wenn wir dort helfen konnten, wo Hilfe benötigt wurde», so Pfändler. Doch wie geht es mit dem Angebot weiter? Laut Pfändler bleibe das Hilfsangebot bis auf Weiteres bestehen, allerdings werde etwas passiver kommuniziert. «Wir möchten jedoch unser Netzwerk an Helfern aufrechterhalten, damit wir für eine allfällige zweite Welle gewappnet wären.»Hohe WertschätzunggespürtDie Nachfrage nach dem Einkaufsdienst der Frauengemeinschaft Haslen/Stein für Risikopatienten und Personen, die über 65 Jahre alt sind, war bis anhin überschaubar: «Ich war bis jetzt für vier Frauen je ein- bis zweimal einkaufen», sagt Karin Rechsteiner. Mit Roswitha Fässler ist sie für den Einkaufsdienst in den beiden Dörfern zuständig. Der Grund, weshalb die Nachfrage nicht grösser war, ist für Rechsteiner naheliegend: «Ich erkläre mir das so, dass die Leute familiär gut abgedeckt sind. Das zu sehen, ist natürlich schön.» Trotz der geringen Nachfrage ist die Wertschätzung für die Arbeit des Einkaufsdienstes laut Rechsteiner hoch: «Ich habe sehr viele positive Nachrichten und Rückmeldungen bekommen.» Das Angebot endete nicht wie ursprünglich vorgesehen Ende April, sondern wird bis im Juni verlängert.Bevölkerung auf dem Land organisierte HilfeDer Frauenverein Lutzenberg-Wienacht erlebte Ähnliches: «Am Anfang der Krise habe ich damit gerechnet, dass unser Angebot der Einkaufshilfe sehr viele in Anspruch nehmen werden. Doch schliesslich waren es über die Wochen nur fünf bis sieben Familien, die unsere Dienstleistung regelmässig nutzten», sagt Sandra Weiler, die Präsidentin des Frauenvereins Lutzenberg-Wienacht. «Ich denke, der Grund hierfür ist, dass sich die Leute auf dem Land gut selber organisieren können.» Doch auch in Lutzenberg und Wienacht zeigten sich die Leute gegenüber dem Angebot wertschätzend. «Diejenigen, die niemanden hatten, waren uns dankbar, dass wir ihre Einkäufe tätigten. Viele Leute haben sich per Mail für unsere Solidarität bedankt.» Doch auch der Frauenverein erhielt während dieser Zeit Unterstützung. «Die Gemeinde stand uns zur Seite. So war es möglich, dieses Projekt in kurzer Zeit aufzugleisen», so Weiler. Die meisten Familien benötigen die Einkaufshilfe mittlerweile nicht mehr. Die Nachfrage habe sich nahezu vollständig gelegt. «Die meisten gehen wieder selber einkaufen. Falls jemand erneut Unterstützung benötigt, bieten wir weiterhin einen Hauslieferdienst an.» Hotline von «Appenzell hilft» bleibt in Betrieb«Appenzell hilft» heisst die Organisation, die in Innerrhoden mit Freiwilligen Dienstleistungen für Personen aus Risikogruppen anbietet. «Aktuell gehen keine Anfragen mehr ein», sagt Jan Fässler, im kantonalen Führungsstab zuständig für die Hotline von «Appenzell hilft». Zu Beginn der Krise hätten Personen aus dem Pool von rund 350 Freiwilligen für «Appenzell hilft» vor allem Einkäufe für Senioren erledigt. 30 bis 40 Personen hätten die Hilfe in Anspruch genommen. Danach sei die direkte Nachbarschaftshilfe angelaufen und die Aufträge seien zurückgegangen, so Fässler. «Wir hätten auch Fahrdienste oder administrative Hilfe anbieten können. Dies wäre wohl vor allem gefragt gewesen, wenn die Krise akuter gewesen wäre oder länger dauern würde. Die Hilfesuchenden hätten das Angebot geschätzt, und die Hilfsbereitschaft sei gross gewesen. Auch wenn die Freiwilligen von «Appenzell hilft» momentan nicht viel zu tun haben, bleibt die Hotline unter der Telefonnummer 071 788 99 12 aufgeschaltet, mindestens so lange, wie die ausserordentliche Lage dauert. Auch würden die Helfer angefragt, ob man ihre Daten behalten dürfe, damit bei künftigen Notlagen ein schneller Einsatz möglich wäre.

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