In seinem aktuellen Newsletter berichtet der Schweizer Skiverband (Swiss-Ski) über die Technologiecenter AG in Altstätten, einee Tochterfirma des Verbands,. Das Unternehmen produziert Wachs für die Athletinnen und Athleten aller Disziplinen. Seit der internationale Skiverband FIS 2023 die Verwendung von fluorhaltigem Wachs untersagt hat, ist die Wachs-Herstellung noch anspruchsvoller geworden. Begründet wird das Verbot damit, dass Fluor umweltschädlich und krebserregend wirkt. Wer gegen das Verbot verstösst, wird mit einer Disqualifikation sanktioniert.
2020 fing die Forschung an
Diese Ausgangslage stellt die Verbände vor Herausforderungen. Wie sieht die Alternative aus? Was hat dieselben oder zumindest ähnliche Eigenschaften wie Fluor, das Feuchtigkeit, Öl und Schmutz abweist? 2020 beginnt Swiss-Ski, sich mit solchen Fragen auseinanderzusetzen, als erste Anzeichen eines Verbots registriert werden. Geforscht wird im Performance- und Technologie-Center in Altstätten fortan nach Wachs, das nicht nur den FIS-Anforderungen standhält, sondern auch die Ski schnell macht. Ein wichtiger Bestandteil der Lösung: Silikon-Additive, also spezifische Zusatzstoffe, die auf Silikon basieren und das Wachs prägen wie Fluor.
Der 45-jährige Daniel Züger fuhr früher selbst Weltcuprennen, als 26-Jähriger beendete er seine Karriere mangels Perspektiven. Er arbeitete danach jahrelang für den Schweizer Skihersteller Stöckli im Verkauf und Service, im Winter testete er für die Fahrerinnen und Fahrer Rennski. Später rüstete er Nachwuchstalente aus und amtete während vier Jahren als Rennsportleiter von Stöckli. Züger war stets nah am Puls des Ski-Weltcups.
Vor sieben Jahren baute er im Auftrag von Swiss-Ski ein Kompetenzcenter auf, das sich vor allem mit Materialthemen befasst. Er absolvierte Skitests und berücksichtigte dabei auch die Frage, wie gut das Wachs bei unterschiedlichen Temperatur- und Schneeverhältnissen funktioniert. Vor vier Jahren kam es zu einer Verschmelzung von Kompetenzzentrum und jener Abteilung, die für Swiss-Ski nun das Wachs herstellt. Daraus entstand die Swiss-Ski Technologiecenter AG. Daniel Züger übernahm als CEO die Geschäftsführung.
Der Chemiker lässt nicht locker
Dass die Firma ihren Sitz im Rheintal hat, hängt mit einem Mann zusammen, der im Ruf steht, ein ausgeprägter, unnachgiebiger Tüftler zu sein: Udo Raunjak. Er liebt das Skifahren, fuhr aber nie wettkampfmässig Rennen.
Der 53-Jährige aus Kriessern hat sich viel Wissen auf diesem Gebiet angeeignet. Nach einer Lehre als Chemielaborant bildete er sich zum Chemiker aus und absolvierte ausserdem ein Studium in Mikro-Nanotechnologie. Beruflich hinterliess er Spuren bei Toko: Bei der traditionsreichen Schweizer Wachsmarke amtierte er 16 Jahre lang als Forschungsund Entwicklungschef.
Nun sucht er im Auftrag von Swiss-Ski nach immer besseren Wachslösungen, die einerseits die Anforderungen erfüllen müssen, nachhaltig und umweltfreundlich zu sein. Andererseits sollen sie gewährleisten, dass Spitzensportlerinnen und Spitzensportler mindestens ebenso schnell unterwegs sein können wie vor dem Verbot. «FZero» heisst das Produkt aus Altstätten, das bereits ein hohes Niveau erreicht hat und auch von Nachwuchs- oder Hobbysportlern verwendet wird oder bei ausgewählten Sportfachhändlern zu kaufen ist.
Aber Raunjak gibt sich damit nicht zufrieden, was sicher mit seinem persönlichen Ehrgeiz zu tun hat. Doch er fühlt sich auch verpflichtet, die Grenzen des Machbaren kontinuierlich zu verschieben: «Dafür bin ich von Swiss-Ski ja auch angestellt worden. Ein bisschen Druck haben wir also schon. Wir wollen einen Vorteil herausholen.»
Wie beim Appenzeller Käse: Das Rezept ist geheim
Einen grossen Teil seiner Zeit verbringt er im Labor, das in das Technologiecenter in Altstätten integriert ist. Die Produktion geht jeweils in einer Ecke vonstatten, die an eine Küche erinnert. Ins Auge sticht ein mächtiger Topf mit einem Fassungsvermögen von 40 Kilo. Daneben stehen grosse Eimer bereit, gefüllt mit verschiedenen Wachssorten in Form von Granulaten. Die Mischung geben die Macher selbstredend nicht preis, die Rezepte kennen nur die Direktinvolvierten. «Da halten wir es wie jene, die den Appenzeller Käse produzieren: Das Rezept ist geheim», sagt Raunjak mit einem Schmunzeln. Das Ganze sei alles andere als ein Selbstläufer. Es steckt eine Menge Arbeit drin.» Daniel Züger fügt an: «Das Fluorverbot der FIS eröffnete auch Chancen. Wir haben sie gepackt.»
Bevor ein Wachs nur schon zu Testzwecken rausgeht, wird lange gepröbelt. «Oft sind mehrere Versuche nötig», sagt Raunjak, «manchmal klappt es mit dem Lösungsmittel nicht, manchmal lassen sich unterschiedliche Wachse nicht mischen. Darum benötigt man eine Menge Geduld, um etwas Neues zu produzieren. Die Serviceleute erhalten ein Wachs erst, wenn wir sicher sind, dass es funktioniert. Die Herausforderungen sind riesig, aber auch spannend, sie machen die Arbeit im Alltag reizvoll.»